Ein Bauernhof zwischen Tradition und Zukunft
- Autor/in: Christian König
Landwirtschaft in Österreich – das bedeutet längst nicht mehr nur Heugabel, Stallarbeit und Almidylle. Am Fuße des Grimmings zeigt ein Betrieb, wie sich heutzutage bäuerliche Tradition, technischer Fortschritt und wirtschaftliche Zwänge vereinen müssen.
Wer auf der B145 an der Abzweigung nach Untergrimming vorbeifährt, dem sticht unweigerlich eine ungewöhnlich große Rinderherde ins Auge. Mit ein wenig Fantasie hat der Anblick etwas von Wild-West-Romantik in den Rocky Mountains. Nicht verwunderlich daher, dass sich hier regelmäßig Autos einbremsen und man beobachten kann, wie der Schnappschuss mit Grimming und Kühen geschossen wird. Die beeindruckende Rinderherde gehört Familie Zettler in Untergrimming. Seit Menschengedenken wird hier die Landwirtschaft betrieben. Die erste urkundliche Erwähnung des Hofes ist aus dem Jahre 1820 und bezieht sich auf den Ururgroßvater von Thomas Zettler. „Die Geschichte des Hofes ist aber noch weit älter“, sagt er und führt uns in die gemütliche Stube im ersten Stock des Gebäudes über dessen Eingangstüre das Renovierungsjahr 1847 in einer dekorativen Schmiedeeisenarbeit verewigt ist.
Der alte „Kochwirt“
Bild: Archiv ZettlerUnter der Führung der Urgroßmutter wurde aus dem Bauernhof eine Gastwirtschaft gemacht. Bis 1963 gab es den sogenannten „Kochwirt“ und das ist auch heute noch der Hausname. Ab dann hat man sich aber wieder auf die Landwirtschaft konzentriert. „Vier Dirndln und mich hatten meine Eltern“, erzählt der Landwirt, der selbst Vater von zwei Töchtern und einem Sohn ist. Der Verdienst aus der Landwirtschaft habe damals nicht viel eingebracht und 1.000 Schilling sogenanntes „Ausgedinge“, eine alte Form der Altersvorsorge, mussten monatlich an die Großeltern bezahlt werden. 1991 übernahm dann Thomas Zettler den Hof und die Vermietung der Almhütten auf der Tauplitzalm, die seit 1986 betrieben wird. Durch die zusätzlichen Einnahmen aus dem Fremdenverkehr konnten immer wieder Investitionen getätigt werden. Zum Beispiel der Einbau einer Rohrmelkanlage mit zwei Melkzeugen und die Einleitung von Strom auf der Almhütte 1991 sowie die erste Solaranlage, die bereits 1995 am Dach des Stalles montiert wurde.
Von Pferdekarren zu Hightech
Während der Großvater noch Hühner, Schweine, Rinder hatte und starke Haflinger für die Arbeit vor den Karren spannte, wird die heutige Landwirtschaft, die 2024 offiziell an Sohn Dominik übergeben wurde, mit 150 Rindern und jeder Menge Hightech betrieben. Jeder Arbeitstag ist durchgetaktet: 10 nach 5 Uhr geht es zum Melken, Füttern, Einstreuen bis 8 Uhr in den Stall. Von 8 bis 9 Uhr wird gefrühstückt, danach folgt die jeweils anfallende Feld- und Hofarbeit. Von der Zaunerrichtung bis hin zum Holzmachen und technischer Installationen wird alles selbst bewerkstelligt. Von 16:30 bis ca. 19 Uhr geht es erneut in den Stall. Die Familie arbeitet mit einem System zur Aktivitätsüberwachung, das mit Bändern an den Hälsen der Rinder alle wichtigen Daten sammelt. „Wenn die Brunst nicht korrekt erkannt werden kann, bedeutet das mehr Zeit- und Arbeitsaufwand für die Verfolgung, Separierung und Zucht von Kühen“, erklärt Thomas Zettler und zeigt uns am großen PC-Screen die Auswertungen vom heutigen Fressverhalten. Das sogenannte Cow-Controll-System vergleicht nicht nur alle Verhaltensweisen der Rinder mit Standards, es liefert auch zuverlässige Gesundheitsdaten und Warnungen für Kühe, die behandelt werden müssen.
Mehr Verwalter als Bauer
Foto: Zettler„Mir ist lieber, mir drücken‘s eine Schaufel in die Hand, als dass ich am Computer Formulare ausfüllen muss“, setzt Thomas Zettler zu Ausführungen über den Bürokratie-Dschungel in Österreich an, „der schneller wächst als das Gras auf der Weide.“ „Ich bin bald mehr im Büro als im Stall. Früher war man Bauer, jetzt ist man Verwalter. Förderanträge? Eine Wissenschaft für sich. Da braucht man bald einen eigenen Juristen, ein falsches Kreuzerl und der ganze Antrag ist hinfällig. Und für jeden Handgriff gibt es eine Verordnung oder Richtlinie. Oft frag ich mich, ob die Leute, die die ganzen Regeln aufstellen, überhaupt wissen, wie es am Hof wirklich ausschaut.“ Herausforderungen bringt der Beruf weiterhin viele mit sich. Seien es vorbeikommende Touristen, die Thomas Zettler fragen, warum er nicht alle Rinder bis zum natürlichen Lebensende behalte oder 10 Kühe, die letztes Jahr aus unerklärlichen Gründen auf der Tauplitzalm in solch eine Panik gerieten, dass sie im Bereich Märchensee eine Wand hinunterstürzten, qualvoll verendeten und mit dem Hubschrauber geborgen werden mussten oder die absurd kompliziert gewordene Bürokratie. Als wir am Rückweg nochmals an der Kuhherde vorbeifahren, sehen wir die Dinge mit anderen Augen. Die Wild-West-Romantik ist irgendwie verschwunden und wir denken an Thomas Zettlers ernste Worte: „Wir treiben die Viecher auf die Alm, weil wir es immer so getan haben. Damit verdient man aber nichts und wenn weiter so viele Bauern aufhören, bekommen wir sehr bald ein schlagendes Problem mit dem Erhalt unserer Grünflächen und Almen.“