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Eisenerz: Die Bergbaustadt am eisernen Brotlaib der Steiermark

Mit knapp 4.000 Einwohnern und etwas mehr als 124 Quadratkilometern ist Eisenerz die dritt- bzw. zweitgrößte der 16 Gemeinden des Bezirks Leoben. Mehr Menschen als die Stadtgemeinde von Bürgermeisterin Christine Holzweber (SPÖ) zählen nur die Bezirkshauptstadt und Trofaiach. Letztere Kommune verweist Eisenerz auch in puncto Fläche auf Rang zwei. Die Geschichte von Eisenerz ist eng mit dem Erzberg verbunden. Dieser ist ein Teil der Eisenerzer Alpen, die reich an Kupfer und Eisenerz sind. Bereits um 1200 v. Chr. wurde in der Eisenerzer Ramsau nachweislich Kupfererz abgebaut und verhüttet. Erste Belege für den Abbau von Eisenerz am Erzberg, dessen Entdeckung der Sage nach einem Wassermann, der in der sogenannten Schwarzen Lacke, einem Wassertempel in der Nähe des Leopoldsteiner Sees, gefangen wurde, zu verdanken ist, ­ finden sich erst viel später, nämlich im 12. Jahrhundert.

Bergbau, Tourismus, Forschung und Spitzensport einerseits, Abwanderung und Überalterung andererseits. Edelmetall und Rost. Das ehemalige Innerberg ist ein äußerst vielschichtiger Ort.

Die erste Nennung einer dörfichen Ansiedlung – ein „Dorfe im innern Eisenerzt“ – datiert aus dem 13. Jahrhundert. Seit dem Spätmittelalter wird die bedeutendste Erzlagerstätte der Alpen intensiv ausgebeutet. Da der Ausbau von Leoben aus gesehen „inner dem Berge“ erfolgte, wurden die Eisenerzer auch als „Innerberger“ bezeichnet. Als das Eisenwesen am Erzberg in der ersten Hälfe des 17. Jahrhunderts in eine schwere Krise schlitterte, wurden auf landesfürstliches Geheiß die drei Glieder des Eisenwesens nördlich des Erzbergs – die Radmeister, Hammermeister und Eisenhändler – zur Innerberger Hauptgewerkschaft zusammengelegt, die das zu dieser Zeit größte Industrieunternehmen Österreichs und das weltgrößte Eisenindustrieunternehmen war. 1881 wurde die Innerberger Hauptgewerkschaft von der Österreichisch-Alpinen Montangesellschaft  übernommen. Diese startete den stufenförmigen Tagbau, der dem Erzberg nach und nach seine markante Pyramidengestalt gab.

Schwierig die Zeit des Ersten Weltkriegs, turbulent die Phase zwischen den Kriegen mit der Weltwirtschaftskrise 1929, ein düsteres Kapitel die Jahre des Zweiten Weltkriegs, in denen der Erzberg zwar aufgrund des erhöhten Bedarfs der Rüstungsindustrie einen deutlichen Aufschwung erlebte, aber, um die hohen Förderziele erfüllen zu können, neben zivilen Arbeitern auch mehrere tausend Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene sowie einige hundert KZ-Häftlinge eingesetzt wurden. Zwischen 1943 und 1945 gab es am Erzberg sogar eine Nebenstelle des KZ Mauthausen. Nach dem Krieg wurde der Erzberg zum Symbol des Wiederau  aus in der Zweiten Republik, der Bergbau ‑ orierte und Eisenerz mit seinen rund 13.000 Einwohnern wurde 1948 zur Stadt erhoben. Durch technische Neuerungen und v. a. aufgrund der weltweiten Krise der Eisen- und Stahlindustrie sank ab den 1980er-Jahren die Zahl der Arbeitsplätze am Erzberg deutlich und mit ihr auch die Zahl der Einwohner von Eisenerz. Lebten 1981 noch rund 10.000 Menschen in der Stadtgemeinde, waren es 2001 nur noch knapp 6.500. Die Krise ist mittlerweile zwar längst überwunden und im größten und modernsten Tagbau Mitteleuropas wird heute mit drei Millionen Tonnen pro Jahr mehr Eisenerz abgebaut als je zuvor, die Stadt aber kämp nach wie vor mit Abwanderung und gilt aufgrund des hohen Durchschnittsalters ihrer Bürger als Pensionopolis. Über gute Nachrichten wie die kürzlich erfolgte Förderzusage des Bundes betreffend die Errichtung einer neuen Unterbringung und weiterer Einrichtungen wie einer Kleinsporthalle und eines Schießkanals für die Nachwuchssportler des Nordischen Ausbildungszentrums (NAZ) freut man sich in der Stadtgemeinde deshalb besonders.

Das NAZ Eisenerz ist eine der wichtigsten Kaderschmieden für den nordischen Sport in Österreich, seine AbsolventInnen haben zahlreiche Medaillen bei nationalen und internationalen Wettkämpfen errungen. Aktuellstes Beispiel ist der gebürtige Eisenerzer Lukas Klapfer, der bei den diesjährigen Olympischen Spielen in Südkorea zwei Mal Bronze gewonnen hat. „Ein Bestand, der toll funktioniert“, ist Bürgermeisterin Christine Holzweber sichtlich stolz. Sie weist auch auf die einzigartige Kombination von Spitzensport und beruflicher Ausbildung im NAZ hin: „Alleinstellungsmerkmal ist, dass unsere SportlerInnen hier auch eine Lehre absolvieren. Das passiert so nirgendwo im deutschsprachigen Raum, in einer ähnlichen Form nur in einem der nordischen Länder. Aber genau so, wie wir es in Eisenerz haben, ist es europaweit einzigartig.“ Damit nicht nur die Ausbildung, sondern auch die Unterbringung der jungen Talente im positiven Sinne einzigartig ist, soll noch heuer auf dem Gelände des JUFA-Hotels in der Eisenerzer Ramsau mit dem Bau des neuen Internats begonnen werden. Die Fertigstellung ist für 2019/20 geplant. Bis dahin sind die Sportler- Innen noch im Schloss Leopoldstein untergebracht. Für die malerische, aber nicht mehr den Anforderungen entsprechende Immobilie gibt es mit dem bekannten Grazer Anwalt Richard Hohenberg übrigens bereits einen Käufer, aber noch keinen konkreten Plan betreffend die Nachnutzung, heißt es auf Nachfrage. Große Bedeutung kommt in Eisenerz auch dem Tourismus zu.

Eine erste Entwicklung diesbezüglich hatte bereits im frühen 20. Jahrhundert eingesetzt, die durch die beiden Weltkriege jedoch unterbrochen worden war. In den 1950er-Jahren entsann man sich sodann wieder des touristischen Potenzials der Gegend. Damals – Führungen werden seit 1968 angeboten – wie heute – rund 50.000 Besucher jährlich – war der Erzberg Anziehungspunkt für Touristen. Events am und um das Wahrzeichen der Stadt bringen zusätzliche Frequenz. Neben Sportveranstaltungen wie dem Erzbergrodeo zählen dazu auch Kunst- und Kulturinitiativen wie das dreitägige Rostfest, das Festival für regionale Impulse, das nach einjähriger Pause heuer im August sein Comeback feiert. Austro-Liedermacher Voodoo Jürgens eröffnet direkt am Erzberg, danach zieht der Festivaltross ins Zentrum der Stadt. Holzweber: „Darauf freuen wir uns alle schon wirklich riesig, weil da ist eine Bewegung in der Stadt, die auch unsere eigene Bevölkerung dazu animiert, unterwegs zu sein und Kontakte zu knüpfen.“ Der Tourismus, so die Bürgermeisterin, sei zweifelsohne wichtig für das Image der Stadt und natürlich auch in puncto Arbeitsplätze, gerade in dieser Hinsicht halte sie aber das Zentrum am Berg (ZaB) für noch zukunftsträchtiger. Mit der Einrichtung Europas modernsten und größten Tunnelforschungszentrums in stillgelegten Stollen des Erzbergs wurde 2016 begonnen, nächstes Jahr soll der Vollbetrieb starten. Doch nicht nur Positives wie die Förderzusage für das NAZ, den funktionierenden Tourismus und das ZaB gibt es aus Eisenerz aktuell zu vermelden, sondern auch die Schließung des Eisenerzer Standortes des LKH Hochsteiermark mit Ende Juni – eine bittere Infrastruktureinbuße.

Das Gesundheitszentrum, so Holzweber, werde zwar sehr gut angenommen, sei aber natürlich kein hundertprozentiger Ersatz für das Krankenhaus. Man hoffe deshalb auf die Stationierung eines Notarzt- Hubschraubers mit technischer Ausrüstung für Nachtflüge im obersteirischen Zentralraum und dränge gemeinsam mit dem Roten Kreuz auch darauf, ein weiteres Rettungsauto und einen zusätzlichen Hauptamtlichen für Eisenerz zu bekommen.

Fotos: Stadtgemeinde Eisenerz, König, Karl

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