Von Knappen, Kameradschaft und Krankenpflege – Die Schladminger Bruderlade im Wandel der Zeit
- Autor/in: Liezener Bezirksnachrichten GmbH
Was einst den Bergknappen in Zeiten der Not beistand, ist heute ein unverzichtbarer Pfeiler der regionalen Pflege: Die Schladminger Bruderlade blickt auf eine lange Geschichte solidarischen Handelns zurück – und beweist, dass qualifizierte Betreuung auch im Wandel der Zeit ihren Wert nicht verliert.
Im 1661 erbauten „Bruderhaus“ befindet sich heute das Stadtmuseum Schladming.Schladming ist heute für viele ein Ort der Erholung, des Wintersports oder der Natur. Doch in früheren Jahrhunderten verband man die Region vor allem mit einem anderen Thema: dem Bergbau. Hoch oben in den Schladminger Tauern, auf teils über 2.000 Metern Höhe, suchten Knappen nach Silber, Kupfer und anderen Bodenschätzen – unter Bedingungen, die heute kaum vorstellbar sind.
Der Weg zu den Gruben war lang – bis zu sieben Stunden Fußmarsch. Die Knappen arbeiteten dort in großer Abgeschiedenheit und konnten den Berg nur alle 14 Tage verlassen – für eineinhalb Tage im Tal, bevor es wieder hinaufging. Viele von ihnen lebten in einfachen Verhältnissen, oft in Verbindung mit der Landwirtschaft. Ein kleiner Hof, eine Handvoll Vieh – sie boten eine zusätzliche Existenzgrundlage, wurden aber vor allem von den Frauen und Kindern versorgt.
Das Bruderhaus – Fürsorge aus der Mitte der Gemeinschaft
Die Arbeit im Berg war hart und gefährlich. Naturgemäß kam es immer wieder zu Unfällen, bei denen Knappen verletzt oder sogar getötet wurden. Zur „Unterhaltung der alten und schadhaften Bergleute“ wurde schließlich im Jahr 1661 Abhilfe geschaffen.
In einem schlichten, bäuerlich geprägten Gebäude in der Schladminger Vorstadt entstand das sogenannte Bruderhaus: ein Ort der Zuflucht für verletzte, kranke oder alte Knappen – aber auch für die Witwen und Waisen jener, die im Berg ums Leben gekommen waren.
Finanziert wurde diese frühe Form sozialer Absicherung über einen verpflichtenden Lohnabzug der Knappen – der mündlichen Überlieferung nach gab es tatsächlich eine Lade, in welcher diese Geldbeträge aufbewahrt wurden –sowie über freiwillige Spenden, Kapitalerträge und sogar Strafgelder. Die Verwaltung übernahmen zwei sogenannte Brudermeister, die sowohl mit finanzieller als auch organisatorischer Verantwortung betraut waren. Damit war die Bruderlade nicht nur eine soziale Einrichtung, sondern auch ein früher Ausdruck von Solidarität und Eigenverantwortung in einer risikoreichen Arbeitswelt.
Noch heute erinnern geschnitzte Embleme am Dachfirst des Gebäudes an diese Zeit – und an einen Geist des Zusammenhalts, der weit über wirtschaftliche Interessen hinausging.
Die Bruderlade heute – Pflege, Betreuung und Menschlichkeit
Auch wenn der Bergbau längst Geschichte ist, lebt die Idee der Bruderlade weiter – in einer Form, die vielleicht aktueller ist, denn je. Im Jahr 1991 wurde der Verein „Schladminger Bruderlade“ unter dem damaligen Obmann Udo Strallhofer neu gegründet, um pflege- und hilfsbedürftige Menschen in ihrem Zuhause zu betreuen. Geografisch umfasst das betreute Gebiet die vier Partnergemeinden Schladming, Ramsau, Haus/Ennstal und Aich.
An der Spitze steht ein ehrenamtlicher Vorstand, aktuell unter der Leitung von Obmann Engelbert Schrempf, flankiert von Kassier, Schriftführer und deren Stellvertretungen. Die operativen Aufgaben liegen in der Verantwortung zweier Mitarbeiter, die ganz in der Tradition der früheren „Brudermeister“ die Geschicke der Bruderlade leiten: Einsatzleiter Reinhard Kornberger und Verwaltungsdienstleiterin Mona Dorrer.
Das engagierte Team der Schladminger Bruderlade rund um Einsatzleiter Reinhard Kornberger M.Sc. und Verwaltungsdienstleiterin Mona Dorrer (beide erste Reihe Mitte)
Versorgt und vernetzt
Die Mobile Pflege ist das Herzstück der heutigen Bruderlade. Mit rund 20 Mitarbeitern werden derzeit etwa 150 Personen betreut – in einem Spektrum, das von einfachen Haushaltstätigkeiten bis hin zur hochqualifizierten Gesundheits- und Krankenpflege für kranke, pflegebedürftige oder behinderte Menschen reicht.
Die Einsätze sind flexibel: Manche Menschen benötigen einmal wöchentlich Unterstützung, andere bis zu drei Mal täglich. Hausbesuche dauern zwischen 15 Minuten und zwei Stunden – je nach Bedarf und Pflegestufe.
Dazu kommt das Angebot „Essen auf Rädern“: In Kooperation mit der Klinik Diakonissen Schladming werden täglich rund 120 Personen mit frisch zubereiteten Mahlzeiten beliefert – darunter drei Menüs zur Auswahl sowie spezielle Diäten (z. B. Stoffwechselkost, weiche Kost, leichte Vollkost). Insgesamt neun Mitarbeiter, unterstützt von einem Zivildiener, machen sich bei jeder Wetterlage auf, um die kulinarische Versorgung hilfsbedürftiger Menschen zu gewährleisten.
Ein zusätzlicher Service ist der Verleih hochwertiger Pflegehilfsmittel – darunter elektrische Pflegebetten, Rollstühle, Rollatoren oder Leibstühle. So kann auch in den eigenen vier Wänden eine würdige Pflegesituation geschaffen werden – ohne unnötige Hürden oder hohe Kosten.
Die Finanzierung der Bruderlade erfolgt durch eine Kombination aus Landesförderungen, Beiträgen der betreuten Personen und Mitteln der Vertragsgemeinden. Trotz begrenzter Ressourcen gelingt es dem Verein, ein hohes Niveau zu halten – auch durch flache Strukturen, engagierte Mitarbeiter und starke regionale Verwurzelung.
Ein Modell mit Geschichte – und Zukunft
Die Schladminger Bruderlade ist weit mehr als eine Pflegeorganisation. Sie ist ein Beispiel dafür, wie eine historische Idee in die Gegenwart übersetzt werden kann – mit neuen Mitteln, aber demselben Ziel: Menschen in schwierigen Lebenslagen beizustehen.
Gerade in Zeiten, in denen die Pflegebranche unter hohem Druck steht, zeigt sich: Regionale Strukturen mit persönlichem Bezug, engagierten Teams und kurzen Entscheidungswegen sind nicht nur effizient – sie sind oft auch menschlicher. ◻
Text und Fotos: Mona Dorrer
