Die Form von Kreativität
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Edeltrude Arleitner ist eine Meisterin der plastischen Wahrnehmung. Ihr künstlerisches Schaffen zeichnet sich durch die faszinierende Verbindung von Fantasie, Fiktion und Wahrnehmung aus. Ihre Intention ist es, über die Sinne Aufgenommenes plastisch auszudrücken und damit auch die Fantasie des Betrachters anzuregen.
Es begann 1995, als Edeltrude Arleitner nach einem Krankenhausaufenthalt eine offene Werkstatt besuchte und ganz spielerisch die erste Erfahrung mit dem Material Ton machte. Diesen weichen, haptisch so angenehmen Werkstoff spielerisch zu erforschen, zu fühlen und zu kneten machte ihr solchen Spaß, dass sie den ersten 10-kg-Hubel Ton kaufte und nach Hause brachte. „Das Arbeiten mit Ton erfordert präzise Handbewegungen und trägt dazu bei, die Feinmotorik und die Hand-Augen-Koordination zu verbessern“, weiß die Künstlerin seitdem. Besonders nützlich für Patienten, die sich von Verletzungen oder Operationen erholen. Die beruhigende und meditative Wirkung ist auch eine wichtige Therapiekomponente zur Behandlung psychischer Erkrankungen. „Damals ist meine Leidenschaft für dieses vielseitige Material entfacht“, erzählt Arleitner über ihre ersten Experimente mit Ton, der sich im feuchten Zustand so wunderbar formen und modellieren lässt. In jener Zeit reifte der Entschluss, ihre künstlerische Ausbildung mit einem Studium an der Kunstuni Linz bei Prof. Praschak zu beginnen.
Geboren in Leibnitz, aufgewachsen in Bruck an der Mur, zog die 17-jährige Edeltrude der Liebe wegen nach Admont, wo sie auch heute noch ihre Familie, die Werkstatt und ihren Lebensmittelpunkt hat. Schon früh nahmen die kunstaffinen Eltern die Tochter mit ins Theater und erfreuten das Kinderherz mit viel gutem Lesestoff. Dadurch hat Arleitner schon früh den Zugang zu Kunst und Kultur gefunden. Bei der Wahl der Ausbildung standen für die Eltern und Betreiber eines Geschäftshauses jedoch stets Existenz und Sicherheit im Vordergrund, was durch ein BWL-Studium der Tochter fundamentiert werden sollte. Doch damit war die Persönlichkeit der später erwachenden Künstlerin noch lange nicht fertig geformt.
Künstlerisch sehen lernen
„Künstlerin zu werden, ist ein langer Prozess. Es braucht mehr, als einen Pinsel oder ein Werkzeug halten zu können. Die Natur ist die beste Lehrerin, doch auch das Sehen muss gelernt sein und reift erst langsam zum Blick einer Künstlerin“, sagt Arleitner, während sie mit einer Zange ein rot glühendes, 1.000 Grad heißes Werkstück aus dem Ofen holt. Die sogenannte Raku-Technik, bei der die Arbeiten aus Ton in offenem Feuer gebrannt werden, ist an die 5.000 Jahre alt und stammt ursprünglich von Zen-Mönchen in Japan. Schon damals wurden mit dieser aufwendigen Technik Teeschalen hergestellt. Im nächsten Schritt legt Arleitner das Werkstück in glühendem Zustand in einen mit Sägespänen gefüllten Stahlbehälter. Durch die extreme Hitze entflammen die Späne lichterloh und flink schließt die geübte Handwerkerin den Behälter mit einem Deckel luftdicht ab. In der „reduzierten Atmosphäre“ des Stahlbehälters kommt es nun zum Sauerstoffentzug und zur Kohlenstoffeinlagerung, die den unbehandelten Ton schwarz färben. „Wenn ich jedoch auf das Werkstück vor dem Brand eine transparente Glasur auftrage, bricht diese durch den starken Temperaturunterschied zum „Krakelee“, in das sich auch der Kohlenstoff einlagern kann. So entsteht ein raffiniert anmutendes Muster, das für die Raku-Technik bezeichnend ist“, erklärt Arleitner. Immer wieder bereite es ihr große Freude, mit ihren Händen aus einem „Patzen Erde“, wie sie sagt, und mit der Hilfe von Feuer ein Kunstwerk zu erschaffen. „Einfach Natur pur!“, strahlt sie, während die schwarze Rauchwolke, die durch das Entzünden der Holzspäne entstanden ist, höher steigt und schließlich vom Herbstwind verblasen wird.
Die eigene Handschrift finden
Edeltrude Arleitner ist nicht nur national, sondern auch international aktiv und hat ihre Arbeiten in zahlreichen Ausstellungen präsentiert. Ihre Kunst findet sich in privaten und öffentlichen Kunstsammlungen, was ihre Bedeutung in der zeitgenössischen Kunstszene unterstreicht. Die Preise und Auszeichnungen, die sie bei internationalen Ausstellungen erhalten hat, sind sowohl Motivation als auch Anerkennung für ihr außergewöhnliches Talent und ihren unermüdlichen Einsatz in der Kunst.
Angehenden Künstlern rät Arleitner, eine eigene Linie zu finden. „Man sollte die Künstler an der Arbeit erkennen, eine eigene Handschrift zu entwickeln ist eine Grundregel. Egal wie groß das Talent ist, gleichermaßen wichtig sind Fleiß und Ausdauer. Die Kunst ist im Kopf, aber die Umsetzung ist Handwerk und das muss anständig erlernt werden.“ Zudem sieht Arleitner alle Künstler in einer gewissen Verpflichtung, Missstände aufzuzeigen und auch ernste Themen aufzugreifen. „Es genügt nicht, nur schöne Dinge zu zeigen, sondern Kunst muss mehr denn je moralische Werte in die Zukunft tragen.“