Ich bin Holz, wenn ich werke
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Die Bildhauerin Maria Nimmervoll alias „Mizzi Pur“ arbeitet im Grenzbereich zwischen Schnitzen und Schneiden, zwischen Körper und Werkstoff, zwischen Ich und Welt. Einem Stück Holz Leben einzuhauchen, empfindet sie als Ausdruck ihres Innersten und ihr Schaffen als einen Prozess ständiger Veränderung.
Die merkbare Veränderung in den Werken der Bildhauerin aus Liezen ist nicht Laune, nicht Mode. Diese Veränderung ist das Leben selbst. So wie der Werkstoff Holz einer ständigen Metamorphose unterworfen ist und auf Einflüsse von außen wie Sonne, Feuer oder Wasser reagiert, so erforscht auch die Künstlerin immer wieder ihr Innerstes und lässt damit das Äußere entstehen. Im Fall von Maria Nimmervoll sind das mit der Motorsäge geschnitzte Skulpturen. Nach einer Phase des Innehaltens und einer Zeit der Rückschau auf frühere Werke, durchzogen von autobiografischen Spuren, hat sich Maria neu aufgeladen. Die Pause, in der Maria viel gezeichnet, gemalt und sich verstärkt dem Arbeiten mit Ton gewidmet hat, war dabei kein Bruch, sondern vielmehr ein stiller Umbruch, der mit Klarheit über die künstlerische Neuorientierung belohnt wurde. „Wenn ich alte Werke von mir betrachte, in welchem Lebensabschnitt ich mich dabei gerade befunden habe. Ich reflektiere aber nicht um zurückzukehren, sondern um weiterzugehen.“
„Ideen müssen gepflegt werden, sonst verebben sie.“ Darum bringt Maria Ideen zuerst auf Papier, danach entsteht ein Modell. Mit der Umsetzung selbst beginnt ein lebendiger Prozess, bei dem Maria nicht selten vom ursprünglich Geplanten abkommt: „Das Werk selbst übernimmt die Führung.“ (Fotos: Susanne Einzenberger)
Transformation statt Perfektion
„Kunst kommt immer vom Innersten“, ist Maria überzeugt: „Das Reine, das Unverfälschte – das ist kein Zustand. Es ist ein Prozess!“ Auf der Fachschule für Bildhauerei in Hallstatt und auf der Kunstuniversität in Linz hat die Künstlerin ihr Handwerk von Grund auf erlernt. Frei nach dem Zitat von Picasso „Learn the rules like a pro so you can break them like an artist“ verlässt sie die traditionellen Wege der Bildhauerei bewusst immer mehr. „Früher waren meine Arbeiten brav geschliffen und geputzt. Nun sind sie rauer geworden, direkter, ehrlicher“, erzählt Maria über ihre ungebrochene Leidenschaft, einem Stück Holz Leben einzuhauchen. Nicht mehr geschliffen, sondern geschärft, ist die Kunst von Mizzi Pur. Kein Akt der Kontrolle, sondern ein Dialog. Ein wildes, inniges Gespräch zwischen Körper, Gefühl und Material, das weit über die Oberfläche hinausführt. „Ab einen gewissen Punkt übernimmt das Werkstück selbst die Führung“, ist sie vom Arbeiten mit der Motorsäge fasziniert. Beim kreativen Prozess mit dieser wild rotierenden Verlängerung ihres Armes fällt Mizzi Pur in einen Zustand, den sie als „Flow“ beschreibt. Sie wird Holz, wird Werkzeug, wird Impuls, tanzt um das Werkstück. Was der Pinsel für den Maler, ist für Mizzi Pur die Säge: nicht bloß Werkzeug, sondern Taktgeberin des Ausdrucks. Das Aufhören beschreibt sie dabei als das Schwierigste: „Nicht, weil es ein Ende wäre, sondern weil das Werk selbst sagt: Jetzt reicht es. Jetzt bin ich ganz.“
Elemente der Verwandlung
„Ideen kommen spontan“, weiß Mizzi Pur aus Erfahrung. „Nach einer Idee zu suchen, funktioniert nicht, die kommt.“ Danach sei es wichtig, diese Idee mit der nötigen Sorgfalt zu pflegen und ihr Aufmerksamkeit zu schenken, sonst verebbt sie. Immer mehr reizt es die Künstlerin, Feuer in ihre Arbeit zu holen. Verbrennungen, Schwärzungen, Verkohlungen – nicht als Zerstörung, sondern als Transformation. Ebenso wie Wasser: Es durchdringt, verändert, lässt aufquellen, zerfließt. Das Holz lebt, reagiert, widersetzt sich. Das Spiel mit den Elementen sind spannende Grenzerfahrungen, die am Werkstück Form annehmen und ihm Charakter verleihen. „Ich möchte die Dinge bis auf den Grund erforschen. Wie dünn kann ich Holz schleifen, bevor es bricht? Wie lange kann ich es erhitzen, bis es zu brennen beginnt?“ Bei diesen Fragen beginnt die Kreativität der Bildhauerin regelrecht zu sprudeln, ihre Leidenschaft zu brennen. Mit den Elementen der Verwandlung schafft es Mizzi Pur, den eigenen Erfahrungen eine Form und dem Holz eine Seele zu geben. Und vielleicht ist es ihre größte Kunst, sich selbst zu erlauben, sich dabei mitzuverändern. Mit dem Holz. Mit dem Feuer. Mit der Zeit.
Kunst ist Begegnung
Tonmodell eines Kopfes für die spätere Umsetzung in Holz. (Foto: Mizzi Pur)Was über Jahre des Suchens, des Scheiterns und des Gelingens in den Händen von Mizzi Pur gewachsen ist, drängt immer mehr nach außen – nicht nur in Form von Skulpturen, sondern als Erfahrung, die geteilt werden will. Ihre Workshops richten sich an alle, die nach einem originellen Hobby suchen oder einfach nur etwas Neues ausprobieren wollen. Ganz ohne Vorkenntnisse können dabei die Grundlagen der Bildhauerei erlernt und künstlerische Fähigkeiten entfaltet werden. Schnitt für Schnitt führt die Künstlerin in die Welt der Holzskulpturen ein. Alle nötigen Motorsägen sowie die komplette Schutzausrüstung werden zur Verfügung gestellt. Wer kommt, geht verändert und am Ende tragen alle stolz ein Werk nach Hause, ein Stück Holz, das unter den eigenen Händen Form und Charakter angenommen hat. Die Kurse sind kreative Wochenenden voller Inspiration, in denen nicht nur Holz verwandelt wird, sondern auch die Sicht auf das eigene Können. Der Kurs in Liezen findet im Atelier der Bildhauerin am Gelände der Firma Deisl statt.
Mizzi Pur Schnitzkurs:
7. – 10. August in Liezen
mizzipur.com