In Eigenregie zur Vision
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Bereits im Volksschulalter hat sich Bernhard Wohlfahrter in den Kopf gesetzt, ein gefeierter Filmregisseur zu werden, was in etwa dem Ziel gleichkommt, ein berühmter Rockstar zu werden. Seinen Lebenstraum verfolgt er mit einer beeindruckenden Hartnäckigkeit und Willensstärke. Doch wie schafft man es eigentlich, in der Filmbranche Fuß zu fassen, wenn man in Haus in Ennstal geboren ist?
Bei den Öblarner Festspielen wird das 187 Seiten starke Theaterstück „Die Hochzeit“ von Paula Grogger mit insgesamt 300 Laienschauspielern mit 130 Sprechrollen aufgeführt. (Foto: Christoph Huber) Sommer 2018. Am Öblarner Dorfplatz laufen die Proben für die Öblarner Festspiele. Frauen mit Hochsteckfrisur und Dirndl, Männer mit vollem Bart und Hut, alle in originalen Trachten aus dem 19. Jahrhundert gekleidet. Traditionell wird das Stück „Die Hochzeit“ von Paula Grogger (geb. 1892 in Öblarn – gest. 1984 in Öblarn) aufgeführt. Unter den 300 Laiendarstellern – ganze Öblarner Familien vom Kleinkind bis zur Oma stehen hier auf der Bühne – ist eine positive Aufgeregtheit spürbar. Mittendrinn Bernhard Wohlfahrter, das Megafon fest in der Hand, die ungewöhnlich große Menge an Schauspielern gut in Griff. Selbstsicher gibt der damals 21-Jährige Regieanweisungen. Von allen Seiten wurde ihm abgeraten, die Spielleitung so jung zu übernehmen. „Bei dem Stück hast du doch 300 Co-Regisseure“, wurde er gewarnt. Tatsächlich wirken bei diesem Stück teilweise über Jahrzehnte dieselben Schauspieler mit, „die sich von dir doch bestimmt nix sog’n lossn!“ Doch Wohlfahrter nimmt sich voller Freude dieser großen Aufgabe an. Dem Zufall überlässt er dabei nichts. „Damit ich über ‚Die Hochzeit' in digitaler Form verfüge, habe ich das 187-Seiten-Stück abgetippt und auch alle anderen Stücke von Paula Grogger gelesen. Ich habe mir alle alten Programmhefte besorgt, habe alle Schauspieler studiert und wusste genau wer wann welche Rollen gespielt hat“, erzählt Wohlfahrter schmunzelnd über seine Bundesheerzeit als Sanitäter – „ein Dienstabsitzen ohne Aufgabe“, wie er sagt – die der hochmotivierte Jugendliche geschickt für seine akribische Vorbereitung auf das Megaprojekt nutzt. „Von der ersten Probe an war es eine unglaublich schöne und grandiose Erfahrung für mich. Natürlich war es ein Vorteil, dass ich über die Festspiele so viel wusste, wie jemand der seit 80 Jahren dabei ist“, gesteht Wohlfahrter. Schließlich gelingt ihm eine modernere und entstaubte Neuinszenierung des dreieinhalb Stunden dauernden Stücks, die von allen Seiten positive Kritik erntet.
Den Fuß in der Tür
Schon als Kind hält Wohlfahrter den Familienalltag mit einer Videokamera fest, am Gymnasium in Stainach dreht der schwierige Schüler mit schlechten Noten erste filmische Beiträge. „Die Schulzeit empfand ich als Zeitverschwendung, ich habe viel geschwänzt und mein Verhalten war alles andere als löblich. Die ständigen Beschwerden der Lehrer haben meiner Mutter viel Kummer bereitet“, erzählt Wohlfahrter über die Zeit, in der er das Gefühl hatte, seinem Berufstraum überhaupt nicht näherzukommen. Mit Biegen und Brechen dennoch 2015 die Matura bestanden, beschäftigt den 18-Jährigen nur noch die Frage wie er im steirischen Ennstal mit der Filmwelt in Berührung kommt. Er erfährt von geplanten Dreharbeiten in Pürgg zum Film „Bergfried“ mit Peter Simonischek und bewirbt sich umgehend für ein Regiepraktikum. Wohlfahrter wird als 2. Regieassistent angeheuert, übernimmt die Suche nach Komparsen vor Ort, das Komparsencasting und inszeniert diese am Set. „Dieses Praktikum war ein irrsinniger Glücksfall für mich, aus dem sich sehr viele Kontakte entwickelt haben, die bis heute halten“, erinnert sich Wohlfahrter. 2016 bekommt der nicht ungeschickte Networker als Setrunner bei zwei Folgen der ZDF-Krimireihe „Kommissarin Lucas“ inder Branche in München den Fuß in die Tür. Für das Kulturhaus Öblarn dreht er außerdem einen Kurzfilm, wobei Kulturhauschef Johann Danklmayer auf den kreativen Kopf aufmerksam wird und ihm Claudia Gassner, die Obfrau des Festspielvereins Öblarn vorstellt. 2017 wird Wohlfahrter schließlich als Spielleiter für die Festspiele 2018 engagiert und übernimmt die ehrenvolle Aufgabe 2024 ein zweites Mal.
Ein Filmpreis hat seine Konsequenzen
„Film ist eine Kunstform, bei der es viel um Beobachtung geht. Du brauchst ein gewisses Alter, um etwas zum Erzählen zu haben. Und ich dachte mit 18 Jahren bei meiner ersten Bewerbung an der Hochschule für Fernsehen und Film München, die warten auf mich.“ (Foto: Christoph Huber)Wohlfahrter wirkte mittlerweile als Regieassistent bei zahlreichen Kino- und TV-Produktionen, unter anderem mit Jo Baier, Andreas Kleinert, Tim Fehlbaum, Joseph Vilsmaier und Edgar Reitz mit. Er drehte Kurzspielfilme, die auf internationalen Filmfestivals gezeigt wurden, sowie Dokumentarfilme, wie über die Liedermacherlegende Konstantin Wecker und für die Sendereihe des Bayrischen Fernsehens „Unter unserem Himmel“. Nach einer Absage 2016 gelang ihm beim zweiten Anlauf 2020 die Aufnahme an der renommierten Hochschule für Fernsehen und Film in München. Von mehreren hundert Bewerbungen wurden gerade einmal acht Personen für die elitäre Ausbildung aufgenommen. „Du brauchst ein gewisses Alter, um etwas zum Erzählen zu haben“, ist Wohlfahrter durch seinen eigenen Werdegang überzeugt. „Die meisten Regisseure machen erst zwischen 30 und 35 Jahren ihren ersten großen Kinofilm“, ist dem Filmemacher bewusst. Mittlerweile hat Wohlfahrter das Studium „Regie für Kino- und Fernsehspielfilm“ erfolgreich abgeschlossen und arbeitet aktuell an seiner Abschlussarbeit, einem Langspielfilm, der, wie er hofft, wieder auf Filmfestivals läuft und endgültig seine Eintrittskarte in die Filmbranche sein soll. Innerhalb eines Jahres, sagt der Absolvent, will er dafür das Drehbuch schreiben, die passenden Drehorte finden, eine Besetzung für vor und hinter der Kamera zusammenstellen und den Film selbstverständlich selbst drehen und schneiden. All das muss mit begrenzten Mitteln umsetzbar sein. Parallel dazu dreht er seit 2020 jährlich eine Dokumentation für das Bayrische Fernsehen, womit er auch seine Studienzeit in München selbst finanzieren konnte. Sein Kurzfilm „Glückstag“ wurde 2023/24 mit dem „Prix Europa - Student Award“ sowie auf der „Diagonale - Festival des österreichischen Films“ mit dem Preis für den besten Nachwuchsfilm ausgezeichnet. Nach wie vor hat der Ennstaler nicht das Gefühl, dort zu sein, wo er hinwill. „Manchmal denke ich mir, dass es leichter wäre, wenn ich nicht so hohe Ambitionen hätte. Ein schöner Preis hat seine Konsequenzen, denn natürlich will man das mit dem nächsten Film wieder toppen“, betont Wohlfahrter. Trotz seiner bisherigen Erfolge überkommen ihn immer wieder auch Zweifel, weil, wie er sagt, die ganze Branche ein Haifischbecken ist, in dem man schnell untergehen kann. Doch seine bisherigen Werke zeugen von einer Fertigkeit, die mehr und mehr zu einer unverkennbaren Handschrift wird. Wir sind gespannt, wie Bernhard Wohlfahrter das Drehbuch seines Lebens weiter befüllt und in welche Welten wir mit dem Filmemacher und Drehbuchautor in Zukunft eintauchen dürfen. Uuuund Action! ◻