Der Pießling Ursprung – Naturwunder im Verborgenen
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Inmitten der malerischen Landschaft Oberösterreichs, verborgen in den Tiefen des Toten Gebirges, liegt eine der größten Karstquellen Mitteleuropas – der Pießling Ursprung. Die mystisch anmutende Höhle mit ihrem türkisgrünen, klaren Wasser befindet sich in der Nähe des kleinen Ortes Roßleithen und ist ein beeindruckendes Naturphänomen, das seit ewigen Zeiten die Menschen in seinen Bann zieht und dies auch noch Jahrhunderte nach uns tun wird.

Das Naturdenkmal Pießling Ursprung kann von einer Aussichtsplattform aus bewundert werden. (Foto: Kurt Pawluk)Ausgangspunkt ist beim Gasthof Sengsschmied in Roßleithen. Folgt man dem Wanderweg zum Pießling Ursprung, stößt man auf eine Felswand, an deren Fuße sich eine große Höhle befindet, aus der ein Strom klarsten Wassers fließt. Der Pießling Ursprung ist vom Wanderparkplatz in Roßleithen in etwa 15 bis 20 Gehminuten erreichbar. Da wir Wasser immer schon zum Leben gebraucht haben, ist die eindrucksvolle Karstquelle den Menschen mit Sicherheit seit jeher bekannt. Wo es in so großer Menge zur Verfügung steht, da kann es zum Trinken, zum Bewässern oder als Energiequelle genutzt werden. In Roßleithen kommt die Kraft des Wassers bis heute für das Schmieden von Sensen zum Einsatz.
Industrielles Erbe
1540 gründete Franz de Paul Schröckenfux hier sein Sensenwerk, das seit bald 500 Jahren existiert. Beim Anfang des Wanderweges hören Besucher meist schon die Geräusche aus dem beeindruckenden Fabriksgebäude. Besonders auffällig ist die alte Druckrohrleitung entlang des Pießlingbaches, die seit 1909 in Betrieb ist. Diese Leitung wurde für das fabrikeigene E-Werk installiert und stellt ein bedeutendes technisches Denkmal dar, das die industrielle Nutzung der Wasserkraft in der Region veranschaulicht.
Auf dem Weg zum Pießling Ursprung befindet sich auch die historische Stummermühle. Diese Mühle, die zu bestimmten Zeiten als Schaubetrieb besichtigt werden kann, ist eine der wenigen noch funktionstüchtigen Bauernmühlen des Garstnertals. Vor 1900 gab es in dieser Region über 100 solcher Mühlen, doch nur wenige sind bis heute erhalten geblieben. Die Besonderheit der Stummermühle liegt in ihren zwei Wasserrädern und Mahlgängen. Hier wird die alte Technik der Wassernutzung anschaulich gezeigt, wobei ein unterschlächtiges Schaufelrad und ein oberschlächtiges Kammrad zum Einsatz kommen. Die Mühle bietet einen lebendigen Einblick in die historische Getreideverarbeitung und die ingenieurtechnischen Lösungen der damaligen Zeit.
Zwischen Naturwunder und Tragödie
Die Stummermühle liegt am Weg zum Pießling Ursprung. (Foto: Kurt Pawluk9Von der Mühle aus ist es nur noch ein kurzer Weg zum imposanten Wasserfall des Pießling Ursprungs. Unter einem mächtigen, überhängenden Felsen strömen aus einem tiefgrünen Quelltümpel bis zu 20.000 Liter Wasser pro Sekunde. Die Quelle ist eine aktive Wasserhöhle mit einem fast vollständig vermessenen Gangsystem über dem Wasserspiegel und einem Höhlensystem, das unter das Quellniveau bis zu 70 Meter hinunterführt. Das Wasser der Quelle ist ganzjährig zwischen vier und sechs Grad kalt und hat ein Einzugsgebiet, das bis zur Tauplitzalm und weit in das Tote Gebirge reicht.
Die Geschichte der Quelle ist nicht nur von der Schönheit der Natur, sondern auch von tragischen Ereignissen geprägt. Am 10. Oktober 1987 kam es zu einem tragischen Tauchunfall, bei dem eine Taucherin während eines Tauchgangs im Pießling Ursprung ums Leben kam. Auch der Bergungstaucher der Freiwilligen Feuerwehr Traunkirchen, der zu ihrer Rettung eilte, verunglückte tödlich. Erst nach sechs Jahren konnte die Leiche der Taucherin in einer Tiefe von 46 Metern geborgen werden, eingeklemmt zwischen Holzstämmen.
Filmkulisse und Touristenattraktion
In der Kunstszene fand der Pießling Ursprung bereits ebenfalls Beachtung. Der österreichische Maler und Medienkünstler Johannes Deutsch drehte hier im September 2019 eine Szene seines Filmprojekts „Der Raub der Proserpina - am Ufer von Vergangenheit und Zukunft“. In dieser Szene schwebt Proserpina über der Felswand, während ein überdimensionales schwarzes Ungeheuer aus dem Wasser aufsteigt. Die Dreharbeiten waren aufgrund des schwer begehbaren Geländes eine große Herausforderung für das gesamte Filmteam, die Darstellerinnen, die Taucher und die Mannschaft des Bergrettungsdienstes Windischgarsten. Mehrere Seilsicherungen und ein eigens angefertigter Steg für den Chor wurden installiert, um die Arbeiten zu ermöglichen.
Im Juli 2024 wurde eine neue Aussichtsplattform beim Pießling Ursprung eröffnet. Diese zehn Quadratmeter große Stahlkonstruktion mit Lärchenholzverkleidung bietet ab sofort wieder einen sicheren und freien Blick auf den smaragdgrünen Quelltopf. Die neu errichtete Plattform ermöglicht es den Besuchern, die beeindruckende Naturkulisse und die Kraft des Wassers aus nächster Nähe zu erleben, ohne sich den Gefahren des felsigen Geländes auszusetzen.
Die Tiefe des Unbekannten
Die genaue Herkunft des Wassers, das aus dem Pießling Ursprung fließt, bleibt ein Rätsel. Es legt einen langen Weg durch ein weit verzweigtes unterirdisches Höhlensystem zurück, das tief in den Bergen verborgen liegt. Diese Ungewissheit verleiht dem Ort eine mystische Aura. Der Pießling Ursprung erinnert uns daran, dass es in der Natur und im Leben immer Aspekte gibt, die jenseits unseres Verständnisses liegen.