Die Enns – steirische Lebensader
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Mit einer beeindruckenden Länge von 254 Kilometern ist die Enns der größte Binnenfluss Österreichs und ein wahres Naturjuwel. Entlang ihrer Ufer prägt sie seit Jahrhunderten die Geschichten und die Kultur der Menschen. Mit seiner unbändigen Energie verändert der Fluss immer wieder seinen Lauf und bildet neues Leben.
Die Enns entspringt in Salzburg in den Niederen Tauern, fließt vorerst rund 125 Kilometer nach Osten, dann rund 120 Kilometer in Nordrichtung und mündet unterhalb der gleichnamigen oberösterreichischen Stadt in die Donau. Auf ihrem Weg durchfließt sie Gebiete der Bundesländer Salzburg, Steiermark und Oberösterreich. Zwischen Admont und Hieflau durchbricht die Enns einen Kalkalpenstock der Ennstaler Alpen und formt eine ca. 15 Kilometer lange Schlucht im Gesäuse. Im untersten Flussabschnitt bildet sie die Grenze zwischen Oberösterreich und Niederösterreich.
Der in antiken Schriftquellen belegte Flussname Anisus (Aist) und Lauriacum sind in verschliffener Form als „Enns“ und „Lorch“ bis heute erhalten geblieben. Die heutige Form des Ennstals ist das Ergebnis der erodierenden Kraft eiszeitlicher Gletscher. Diese mächtigen Eismassen prägten die Landschaft und formten das Tal, wie wir es heute kennen. Im flachen Talboden schlängelte sich die Enns als mäandrierender (kurvenreicher) Fluss von einer Talseite zur anderen. Diese natürliche Dynamik führte zu einem ständigen Wechsel des Flussverlaufs und zur Bildung zahlreicher Flussschlingen.
Eine Vorstellung dieser faszinierenden Ästhetik, die sich den Ennstal-Reisenden seinerzeit bot, wurde 1840 vom Reiseschriftsteller Johann Gabriel Seidl niedergeschrieben: „Einige Stunden oberhalb und ein paar Stunden abwärts von Admont fließt die Enns durch eine Talebene von so geringem Fall, dass sich der wasserreiche Fluss durch vielfache Schlangenwindungen, in denen er manchmal fast wieder zu sich selbst zurückkehrt, seinen Weg suchen muss.“
Im Fluss der Zeit
Die Ennsregulierung ab 1860 galt in der Monarchie als Jahrhundertwerk. Durch umfangreiche Regulierungsmaßnahmen wurden die meisten der Flussschlingen abgetrennt. Dies führte zur Entstehung zahlreicher wassergefüllter Altarme, die nach und nach der Verlandung preisgegeben waren. Diese Eingriffe veränderten nicht nur das Landschaftsbild, sondern auch das ökologische Gleichgewicht des Ennstals nachhaltig. In weniger als 50 Jahren wurde die Ennsstrecke von 63 Kilometer auf 45 Kilometer verkürzt.
Die Ennsregulierung wurde nach einer kaiserlichen Entschließung vom 30. August 1859 und der Kommissionierung im Sommer 1860 in Angriff genommen. Sie hatte vor allem den Zweck, eine Besserung der landwirtschaftlichen Verhältnisse im Ennstal herbeizuführen. Der erste Ennsbauleiter war der k.k. Obering. der BH Liezen Johann Liebich. (1880 wurde ihm in Anerkennung seiner vielen Verdienste um die Gemeinde die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Liezen verliehen.) Der erste Durchstich (Ein Durchstich bezeichnet eine Technik im Strom- oder Flussbau zur Flussbegradigung eines sehr kurvenreichen Flusslaufes durch Abkürzen von Flusskurven.) wurde 1860-1861 südlich des Schlosses Trautenfels vorgenommen. Insgesamt wurden 27 Durchstiche ausgeführt, der letzte im Jahr 1929.
Die umfangreichen Entwässerungsmaßnahmen im Ennstal haben die Nutzbarkeit vieler Flächen für die Landwirtschaft erschlossen. Glücklicherweise sind immer noch einige Feuchtwiesen, Reste der alten Enns und vereinzelte Moore erhalten geblieben. Eines der schönsten Beispiele ist das Pürgschachen Moor bei Ardning. Auf einem Rundwanderweg mit 13 Stationen können Besucher Fauna und Flora des geschützten Gebiets zwischen Moor und Enns erkunden. Höhepunkte sind der Libellenteich, der Moorturm und der schwebende Ennssteg. Von der Quelle bis ins Gesäuse ist die Enns derzeit immer noch ohne Querverbauung (quer oder schräg zur Fließrichtung verlaufende künstliche Einbauten im Gewässerbett) und verfügt somit über einzigartige 130 Kilometer(!) freie Fließstrecke.
Umfassende Renaturierungsmaßnahmen
Im Jahr 2023 wurden bei Mandling zwei Flussschleifen wiederhergestellt. Diese Maßnahmen verbessern die Vernetzung des Flusses mit dem Umland, bringen den Wasserhaushalt ins Gleichgewicht und reaktivieren die Selbstreinigungskräfte des Flusses. Zusätzlich wird in solchen Bereichen das Hochwasser gepuffert, wodurch Überflutungen im Siedlungsraum reduziert werden.
Die kontinuierlichen Bemühungen zur Renaturierung der Enns zeigen, wie wichtig es ist, natürliche Flusslandschaften zu erhalten und wiederherzustellen. Diese Projekte tragen nicht nur zur ökologischen Vielfalt bei, sondern bieten auch der Bevölkerung und den Gästen wertvolle Erholungsräume und erhöhen die Hochwassersicherheit. Die Enns ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie Mensch und Natur harmonisch zusammenarbeiten können. ←
TIPP:
Radiosendung am 20. November zum Thema „Fische in der Enns“,
18 - 19 Uhr auf Radio Freequenns.
Zu Gast: Assoc. Prof. Dr. Steven Weiss,
Institute of Biology University of Graz