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„Wolf, Bär und Luchs haben eine Berechtigung bei uns”

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Vermittlung und Aufklärung als Hauptaufgabe der Jägerschaft

Peter Wiesenbauer ist seit 2017 Bezirksjägermeister des Jagdbezirks Liezen und in dieser ehrenamtlichen Position für 241 Reviere, die sich gesamt über rund 185.000 Hektar erstrecken, verantwortlich. Anlässlich des Beginns des neuen Jagdjahres am 1. April haben wir mit ihm über die vielfältigen Aufgaben der Jägerschaft, die Rückkehr des Wolfs u. a. m. gesprochen.

Im Interview zu unserem Sonderthema „Waidmannsheil“ spricht Bezirksjägermeister Peter Wiesenbauer u. a. über die Rückkehr der Großpredatoren. Im Interview zu unserem Sonderthema „Waidmannsheil“ spricht Bezirksjägermeister Peter Wiesenbauer u. a. über die Rückkehr der Großpredatoren. Bilder aus LBN-Collage: Fotos: Todor Rusinov – stock.adobe.com, Karl

LBN: Erwähnt man die Jägerschaft, denken viele in erster Linie an den Abschuss. Ist das tatsächlich die einzige Aufgabe von Jägern?
Wiesenbauer: Der Schuss selbst dauert ja nur einen Sekundenbruchteil, den Rest des Jahres versucht die Jägerschaft v. a. als Vermittler zwischen Wildtieren und Gesellschaft zu agieren. Das ist eigentlich unsere Hauptaufgabe momentan. Die Ausübung der Jagd ist wunderschön, aber es gehören auch sehr viele andere Tätigkeiten dazu, z. B. die Verarbeitung des wertvollen Produkts Wildfleisch und Arbeiten wie Fütterungen in der Notzeit. Wir beobachten das Wild natürlich auch sehr viel, damit wir dann, wenn es bejagt wird, die richtige Auslese treffen können. Wir bilden auch Jagdhunde aus, was ganz wichtig ist. Eine große Aufgabe sind in letzter Zeit die Wildunfälle geworden, wo wir im Grunde Tag und Nacht auf Abruf sind.

Die Jägerschaft hat also viele wichtige Aufgaben, wird aber trotzdem oft auf den Abschuss reduziert. Können Sie sich erklären, warum das so ist?
Jeder Mensch hat einen individuellen Zugang zum Thema Jagd. Pauschalverurteilungen entspringen oft einem Einzelerlebnis, etwa einem Zusammentreffen zwischen Jäger und Naturnutzer, das der Jäger vielleicht durch falsche Wortwahl negativ geprägt hat. Wir sind sehr dahinter, durch Schulungen und Ausbildungen die Kommunikation der Jägerschaft mit der nicht-jagenden Bevölkerung zu verbessern. Wir möchten unser Handwerk erklären, erläutern, was wir machen.

span class="wf_caption" style="float: left; max-width: 300px; display: inline-block;" role="figure">WiesenbauerSie haben den Naturnutzer angesprochen. Schon vor Corona hat es viele Menschen in die Natur gezogen, seit Ausbruch der Pandemie drängen aber noch einmal deutlich mehr Hobbysportler und Freizeitnutzer in die Wälder und auf die Berge, also in genau jene Räume, in denen das Wild zuhause ist. Ein Problem?
Die Natur wird sicher mehr genutzt als vor der Pandemie und da hat die Jägerschaft eine große Aufgabe und Verantwortung gegenüber dem Wild. Wir müssen die Leute aufklären, um sensible Wildlebensräume zu schützen und haben mit den Naturfreunden, dem Alpenverein und anderen Institutionen auch bereits ein entsprechendes Projekt gestartet. Es gibt auch behördlich genehmigte Wildschutzgebiete, wo man versucht hat, ohne Verbotsschilder auszukommen. Da sind wir draufgekommen, dass man Schilder aufstellen muss, weil es die Leute einfach nicht wissen. Aber das Verständnis ist sehr groß, muss ich sagen.

Im Winter müssen Schutz- und Ruhezonen v. a. deshalb beachtet werden, weil das Wild seinen Stoffwechsel herunterfährt und bei einer Flucht unnötig überlebenswichtige Energie verbraucht. Warum muss im Frühjahr Rücksicht genommen werden?
Wegen der Jungtieraufzucht. Bei den Rehen, beim Rotwild, beim ganzen Wild kommen im Frühjahr die Jungen zur Welt. Ganz wichtig wäre mir: Hunde an die Leine! Wir haben auch Schilder mit einem Rehkitz und der Aufschrift „Mein Leben hängt an deiner Leine.“ Aber ich muss sagen, es gibt ganz selten Verstöße, dass wirklich Hunde frei herumlaufen im Wald.

Nicht nur Wanderer, Mountainbiker und Co sind in letzter Zeit vermehrt in unseren Wäldern anzutreffen, auch der Wolf kehrt zurück. Hat dieser große Beutegreifer überhaupt noch Platz bei uns, eine Daseinsberechtigung?
Also grundsätzlich ist die Jägerschaft nicht gegen die Großpredatoren. Wolf, Bär und Luchs haben eine Berechtigung bei uns. Die Gefühle in der Bevölkerung sind jedoch gemischt. Der Wolf hat starken Einfluss auf die Land- und Forstwirtschaft und auch auf den Tourismus. Hier sind aber v. a. die Vertreter aus diesen Bereichen gefragt, ich glaube, dass sich die Jägerschaft da nicht in den Vordergrund drängen sollte. Hat der Wolf noch Platz bei uns? Ich glaube, es geht da rein um die Stückzahl. Wir haben noch sehr schützenswerte Biotope, wo einzelne Individuen sicher Platz haben. Aber das Zusammenspiel zwischen Beutegreifern und Beutetieren, das muss man schon abwägen. Und ob man dann eine Regulierung braucht, das müssen wir uns dann einfach wildökologisch anschauen.

Der Frühling ist eine Zeit, in der besonders viele Wildunfälle passieren. Was gilt es dabei zu beachten? Wie muss man sich verhalten?
Im Falle eines drohenden Zusammenstoßes mit einem Wildtier sollte man stark bremsen und das Lenkrad festhalten, denn ein Ausweichmanöver birgt viel höhere Risiken. Dann das Fahrzeug abstellen und die Unfallstelle sichern, wie bei jedem Unfall. Nach der Versorgung von Verletzten – sollte es Verletzte geben, was bei Wildunfällen Gott sei Dank selten ist – sollte die Polizei verständigt werden. Grundsätzlich muss jeder Wildunfall, auch wenn das Tier davonläuft, der Polizei gemeldet werden. Die nimmt den Unfall auf und verständigt für die Bergung oder auch den Gnadenschuss die Jägerschaft. Das Tier darf keinesfalls mitgenommen werden, weil das gilt als Wilderei!

Wie ist es im Jagdbezirk Liezen um den Nachwuchs in der Jägerschaft bestellt?
Abgesehen von den Jahren, in denen wegen Corona keine Kurse abgehalten werden konnten, finden im Bezirk jährlich um die sieben Jagdkurse mit jeweils ca. 15 Teilnehmern statt. Das sind gesamt rund 100 Leute, die zur Jagdprüfung antreten. Natürlich sind nicht alle davon aktive Jäger, es werden immer mehr, die einfach aus Interesse die Jagdprüfung machen. Für mich persönlich ist das sehr wertvoll, weil diese Leute dann die Jagd positiv in ihr Umfeld bringen. Und jeder, der den Jagdkurs besucht hat, ist eigentlich begeistert, auch wenn er die Jagd dann nicht aktiv ausübt.

Wie weiblich ist die Jagd im Jagdbezirk Liezen?
Wir haben ca. 300 Jägerinnen im Bezirk. Sehr viel zu verdanken haben wir in dieser Hinsicht unserer Bezirkswaidfrau Eva Posch. Sie organisiert u. a. auch Kochkurse, wie man unser gutes Wildbret verwertet. Und das kommt wirklich gut an – bei den Damen und auch bei den Herren. Am 6. und 7. Mai beschäftigt sich ein zweitägiges Symposium auf Schloss Seggau, veranstaltet von den Steirischen Jägerinnen, mit der Frage, ob Frauen anders jagen. Meine persönliche Meinung: Nein, wir jagen alle gleich.

 

Der Jagdbezirk Liezen

Größe: ca. 185.000 Hektar
Reviere: 198 Eigenjagden und
43 Gemeindejagden
Wild: jeweils ca. 5.000 Stück Rot- und Gamswild, ca. 8.000 Stück Rehwild
Aktive Jäger: 1.783 Jäger mit gelöster Jagdkarte im Jagdjahr 2021/22

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