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Aus’n Leb’n – Interview mit „Seer“- Mastermind Fred Jaklitsch

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Kurz nach seinem 58. Geburtstag trafen wir „Seer“- Mastermind Fred Jaklitsch zum LBN-Interview im Ausseerland.

Jaklitsch: „Mit Liedern wie ‚Wüds Woss‘ oder ‚Junischnee‘ versuche ich immer wieder, die Verbindung des Menschlichen mit den Kräften der Natur auszudrücken.“ Jaklitsch: „Mit Liedern wie ‚Wüds Woss‘ oder ‚Junischnee‘ versuche ich immer wieder, die Verbindung des Menschlichen mit den Kräften der Natur auszudrücken.“ Fotos: Wolfgang Spitzbart, Gustl Viertbauer

Was waren deine musikalischen Einflüsse in der Jugend?

Ich bin in sehr traditionellen Musikgegenden aufgewachsen. Mein Vater war sehr volksmusikalisch, meine Mutter horte die Schlager auf Radio Steiermark und ich habe mich ab 14 Jahren pubertierender Weise auf die Seite des Rock 'n' Roll geschlagen. Zu dieser Zeit war das ziemlich verpont. Heutzutage sind Langhaarige mit Stromgitarren nichts Ausergewohnliches mehr und werden offen toleriert. Fur uns war das damals aber unsere kleine Revolution in der kleinstadtischen Umgebung, in der wir aufwuchsen, und naturlich haben wir uns furchtbar lassig dabei gefuhlt (lacht). Dann habe ich die Liedermacherei fur mich entdeckt und damit einen Weg, mir meine Gefuhlslagen von der Seele schreiben zu konnen. Die wortgewaltigen, fantasievollen und teilweise unglaublich poetischen Lieder von Reinhard Mey und Andre Heller haben mich damals sehr fasziniert. Seit damals bin ich mit Leidenschaft Liederschreiber und das Ziel ist immer noch, das perfekte Lied zu schreiben, das es naturlich so nicht geben kann. Aber auch wenn es beim Probieren bleibt, habe ich mir doch meinen Lebenstraum erfullt.

Wann hast du zu musizieren begonnen?

Laut meinen Eltern bin ich mit funf Jahren unter dem Tisch gesessen und habe „Rote Lippen soll man kussen“ gesungen, wobei keiner so recht wusste, was mit dem Buben los ist (lacht). Meinen Eltern war es eine Zeit lang auch vollig unklar, wohin ich einmal beruflich tendieren werde. Auf vaterlichen Rat hin entschied ich mich fur die Ausbildung zum Hauptschullehrer, absolvierte die Padagogische Akademie und arbeitete danach zwei Jahre als Lehrer in Salzburg, nutzte aber die erstbeste Gelegenheit, die sich mir zum Absprung bot, um nach meinem Traum vom „Popstar“ zu greifen und grundete 1984 mit zwei Schulkollegen, Andy Schweitzer und Manfred Temmel, die Boygroup „Joy“. Durch die Gunst der Umstande schafften wir drei Landpomeranzen aus Bad Aussee es tatsachlich, auf Buhnen von Hongkong bis Los Angeles und Moskau stehen zu durfen. Wir wussten damals alle nicht recht, wie uns geschieht (lacht). Jetzt wurde ich sagen, es war einfach eine geile Zeit!

Wie bleibt man am Boden, wenn plötzlich so ein großer Erfolg einsetzt?

Wir konnten das alles ja gar nicht richtig geniesen. Das ging praktisch uber Nacht los, wir waren mit der Situation vollig uberfordert. Plotzlich wollten alle moglichen Leute etwas von uns und wir waren mittendrin! Schlussendlich ereilte uns das typische Boygroup-Schicksal: Nach zwei bis drei Jahren war alles wieder vorbei und die Kids von damals jubelten andere zu Stars hoch (lacht).

Ist es schwer, wenn man merkt, dass der Erfolg nachlässt?

Nein, die Erfolgswelle mit „Joy“ war so schnell wie sie gekommen war auch wieder weg. Danach stellten wir uns der Herausforderung, uns neu zu orientieren. Aus dem Bauch heraus, hopp oder dropp. Etwas zu kopieren macht keinen Sinn, du musst etwas finden, mit dem du dich guten Gewissens vor Publikum hinstellen und sagen kannst: „He, des is mei Lebensgfuh‘, megsts as oda nit, oba des is mei Ding!“ Und naturlich darf man nicht gleich bei der ersten Niederlage den Hut draufschmeisen, denn die Niederlagen, die kommen, so wie das Amen im Gebet (lacht).

Wie läuft bei dir der kreative Prozess des Liederschreibens ab?

Mit den Mundarttexten, die ich schreibe, versuche ich, ein Lebensgefuhl auszudrucken, das uns alle verbindet. Daher orientiere ich mich anfangs immer sehr stark am Text, suche teilweise wochen- oder monatelang nach den richtigen Textzeilen und Themen, die genug Emotionalitat besitzen, um daraus einen Song zu machen. Das schonste Kompliment ist ja, wenn jemand auf uns zukommt und sagt: „So was Ahnliches habe ich auch schon erlebt!“ oder „Dieses Gefuhl kenn ich!“ und ich merke, dass dieses Lied den Weg in den Alltag von anderen Menschen gefunden hat. Der rote Faden „Hoamat“ zieht sich dabei durch viele Lieder der „Seer“, da die Landschaft, die wir hier vor der Hausture haben, von Natur aus inspirierend ist. Heimat ist als Platz der Geborgenheit und als schutzendes Nest einfach wichtig und es ist jedem nur zu wunschen, dass er einen solchen Platz hat, an den er immer zuruckkehren und Zuflucht finden kann. Dabei ist es mir ein Anliegen, den Begriff „Heimat“ von den braunen Schatten der Vergangenheit zu befreien.

Was ist das für ein Gefühl für dich, wenn du in der Zlaim-Arena vor so vielen Menschen auf der Bühne stehst, die alle gekommen sind, um mit euch zu feiern?

Wenn da die Menschen aus ganz Österreich und den entferntesten Winkeln in Deutschland und der Schweiz anreisen, um unsere Musik genau an jenem Ort zu hören, an dem sie vor 22 Jahren entstanden ist, liefert mir das jedes Mal die Kraft und die Energie zum Weitermachen. Es motiviert und berührt mich zutiefst, wenn ich von meinem Haus aus schon am Nachmittag die vielen Autos vorbeifahren sehe und weiß, die kommen alle, um sich heute die „Seer“ in der „Zloam“ anzuschauen. Es sind nicht nur die zweieinhalb Stunden auf der Bühne, sondern auch die Zeit nach der Show, in der wir Autogramme schreiben und den Leuten auf einer Ebene begegnen. Es war uns immer schon wichtig, eine persönliche Beziehung zu unserem Publikum herzustellen. Verblüffend ist auch, dass kein Konzert dem anderen gleicht und somit jeder Auftritt etwas Besonderes ist.

Schlüpfst du in eine bestimmte Rolle, wenn du auf die Bühne gehst?

Nein, das ist ja das Lässige bei den „Seern“. Bei „Joy“ war es so, dass wir unsere 80iger Jahre Discokluft inkl. Schulterpolster (lacht) anhatten und uns mit unserem Schulenglisch auf und hinter den Bühnen dieser Welt durchkämpften. Aber in der Zlaim, wo 10.000 Menschen draußen warten, da rede und bewege ich mich hinter der Bühne genauso wie auf der Bühne. Ich muss mich nicht verstellen und in keine Bühnenrolle schlüpfen, um den Leuten etwas zu bieten, was ich nicht bin. Das ist ein irrsinnig befreiendes Gefühl für mich und macht uns authentisch.

Glaubst du, dass ein Lied etwas verändern kann?

Ein Lied wird sicherlich keine Revolution auslosen, aber es kann beruhren und, wie ich glaube, eine gewisse Hinwendung und Ruckkehr zu Achtsamkeit und Wertschatzung der kleinen Dinge im Alltag bewirken, die menschlich von Bedeutung sind.

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