Sie sind hier:Start/Wirtschaft & Karriere/Gleiche Chancen in der Region – Wo stehen wir?

Gleiche Chancen in der Region – Wo stehen wir?

Stellen Sie sich vor, Ihre Tochter wächst hier im Bezirk Liezen auf – neugierig, talentiert, voller Ideen. In der Schule ist sie Klassenbeste in Mathematik, doch Jahre später entscheidet sie sich gegen eine technische Ausbildung, weil sie glaubt, „das ist eher was für Burschen“. Gleiche Chancen für Frauen und Männer sind mehr als ein gesellschaftliches Ideal – sie sind eine Voraussetzung für eine zukunftsfähige Region. Doch wie sieht es im Bezirk Liezen tatsächlich aus?

Gleiche Chancen in der Region – Wo stehen wir? Foto: Pedro Llinas - stock.adobe.com

Das Handbuch zum Thema Gleichstellung in der Region Liezen (Stand März 2024), erarbeitet vom Regionalmanagement Liezen (RML), gibt Einblick auf Zahlen, Entwicklungen und Herausforderungen unserer Region und zeigt, dass Fortschritte sichtbar sind, aber in Bereichen wie Abwanderung, Einkommen, Berufswahl sowie Teilzeit und Karenz weiterhin großer Handlungsbedarf besteht. Nur wenn Frauen und Männer gleiche Chancen haben, können sie ihre Talente voll entfalten und zum Wohl der Gesellschaft beitragen. Das gilt besonders für Regionen wie den Bezirk Liezen, wo jede und jeder Einzelne gebraucht wird, um die Zukunft aktiv mitzugestalten. Doch Gleichstellung ist kein Selbstläufer.

Die Region Liezen im Überblick

In der Region Liezen leben rund 80.000 Menschen – etwas mehr Frauen (51,1 Prozent) als Männer (48,9 Prozent). Das Durchschnittsalter liegt bei 45,9 Jahren, die Bevölkerung wird also älter. Auf 100 Kinder unter 15 Jahren kommen bereits 180 Seniorinnen und Senioren. Besonders in kleinen Gemeinden führt diese Entwicklung zu Herausforderungen in der Pflege und am Arbeitsmarkt. Auffällig ist auch: Immer mehr Menschen leben allein. Fast 40 Prozent der Haushalte sind Einpersonenhaushalte – häufiger von Frauen als von Männern geführt. Die Bevölkerung insgesamt wird bis 2040 voraussichtlich leicht sinken. Besonders junge, gut ausgebildete Frauen ziehen weg – zehnmal mehr als Männer. Das bedeutet: Weniger Fachkräfte, weniger junge Familien, weniger Zukunftsperspektiven.

Bildung als Schlüssel zur Chancengleichheit

In Sachen Ausbildung haben Frauen in den letzten Jahren deutlich aufgeholt. In der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen haben im Bezirk Liezen doppelt so viele Frauen wie Männer einen Hochschulabschluss. Dennoch bestehen Unterschiede bei der Wahl des Studien- oder Lehrberufs. Viele junge Frauen entscheiden sich für soziale oder pädagogische Berufe, während Männer technische oder handwerkliche Richtungen bevorzugen. Das hat direkte Auswirkungen auf das Einkommen, denn in männerdominierten Branchen sind die Löhne meist höher. Diese Unterschiede beginnen schon in der Schule und ziehen sich durch das gesamte Berufsleben.

Arbeit, Einkommen und Absicherung

Im steirischen Gesamtvergleich zeigt sich ein deutlicher Einkommensunterschied: 2021 war im Bezirk Liezen das durchschnittliche Jahresnettoeinkommen vollzeitbeschäftigter Männer mit 30.611 Euro am zweitniedrigsten (30.458 Euro in Südweststeiermark) und jenes der Frauen mit 26.056 Euro das niedrigste in der Steiermark. Die Gehaltsdifferenz zwischen Männern und Frauen betrug somit rund 15 %. Frauen haben am besten in Graz verdient (30.480 Euro), Männer im Bezirk Leoben (35.078 Euro). Auch bei den Pensionen setzt sich der „Gender-Pay-Gap“ fort: Im Bezirk Liezen erhalten Männer im Schnitt rund 23.600 Euro, Frauen nur etwa 15.900 Euro jährlich. Ein wichtiger Grund dafür liegt in der Art der Beschäftigung: Aufgrund von Betreuungsaufgaben oder fehlender Kinderbetreuungseinrichtungen waren 2020 13-mal mehr Frauen mit Kindern unter 15 Jahren teilzeitbeschäftigt als Männer.

Sorgearbeit: Unsichtbare Leistung

Kinder betreuen, Angehörige pflegen, den Haushalt führen. Laut österreichweiter Erhebungen übernehmen Frauen nach wie vor den Großteil der „Carearbeit“. In der Region Liezen zeigt sich dieses Muster deutlich: 80 % der unselbstständig erwerbstätigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren arbeiten in Teilzeit, während 94 % der Männer mit Kindern Vollzeit beschäftigt sind. Viele Mütter müssen ihre Arbeitszeit reduzieren oder ganz auf Erwerbstätigkeit verzichten. Besonders Alleinerziehende (84 Prozent davon sind Frauen) stehen dadurch unter großem Druck. Die Elternkarenz nahmen im Jahr 2020 636 Frauen und nur fünf Männer im Bezirk Liezen in Anspruch.

Frauen in Führungspositionen

Ein Blick in Politik und Wirtschaft zeigt: Frauen sind in der Region Liezen nach wie vor unterrepräsentiert, wenn es um Entscheidungsposten geht. 2023 war von zwanzig Führungspositionen in den größten Unternehmen nur eine weiblich besetzt. In der Kommunalpolitik sieht es ähnlich aus – nur die Stadt Liezen und die Gemeinde Selzthal haben eine Bürgermeisterin. Dabei wäre die Repräsentanz beider Geschlechter gerade in Entscheidungspositionen wichtig, denn nur an den Schalthebeln der Macht können Rahmenbedingungen in signifikanter Weise verändert werden.

Gleichstellung als Zukunftsaufgabe

Die Gleichstellung der Geschlechter ist keine reine Frauenfrage – sie betrifft die gesamte Gesellschaft. Wenn Frauen gleich bezahlt werden und gleiche Chancen haben, profitiert die ganze Region: Unternehmen gewinnen Fachkräfte, Familien werden entlastet, die Lebensqualität steigt. Doch es braucht konkrete Maßnahmen: den Ausbau von Kinderbetreuung, faire Bezahlung, flexible Arbeitsmodelle und mehr Unterstützung für Frauen, die Führungsverantwortung übernehmen wollen. Einer der wichtigsten Punkte für Veränderung ist die Bewusstseinsarbeit, denn viele Unterschiede entstehen aus alten Rollenbildern, die unbewusst weitergegeben werden. Gesetze und Strukturen können viel bewirken – doch der entscheidende Wandel muss in unseren Köpfen stattfinden.
(Stand März 2024, Regionalmanagement Bezirk Liezen GmbH)

 

×