Hüter von Kulturerbe, Natur und Lebensraum
- Autor/in: Liezener Bezirksnachrichten GmbH
Vor der schützenswerten Kulisse des Sölktales liegt das Forstamt Gstatt, das seit fast 900 Jahren die Region mitgestaltet. Im Gespräch mit Paul-Josef Colloredo-Mannsfeld erfahren wir, wie die Familie eine jahrhundertealte Verantwortung in die Zukunft trägt – zwischen nachhaltiger Nutzung, gelebtem Naturschutz und dem Auftrag, ein einzigartiges Kulturerbe in die nächste Epoche zu führen.
„Generationsübergreifendes Denken steht bei der Waldwirtschaft an vorderster Stelle.“ – Paul-Josef Colloredo-MannsfeldDie von Höhen und Tiefen geprägte Geschichte der Familie Colloredo-Mannsfeld spiegelt über Jahrhunderte Aufstieg, Macht, Verlust und Neubeginn einer der bedeutendsten Adelsfamilien Mitteleuropas wider. Über Böhmen und Österreich stieg das Adelsgeschlecht im 17. und 18. Jahrhundert in höchste kaiserliche Ämter auf: Marschall Rudolf Colloredo zeichnete sich im Dreißigjährigen Krieg aus, Rudolf Josef wurde Reichsvizekanzler und 1763 in den Fürstenstand erhoben. Durch die Heirat mit der letzten Gräfin von Mansfeld entstand der Name Colloredo-Mannsfeld, der mit umfangreichen Besitzungen in Böhmen und Österreich verbunden war. Mitglieder der Familie wirkten als Reichsvizekanzler, Feldmarschälle, Minister und Erzbischöfe. Nach dem Zerfall der Monarchie 1918 und den Enteignungen durch Nationalsozialisten und später durch die Beneš-Dekrete verlor die Familie ihren Besitz, viele Angehörige mussten emigrieren. Erst nach 1989 gelang die teilweise Rückkehr und Zurückgewinnung von Besitztümern. Von den ursprünglichen drei Schlössern ist einzig Dobris (40 km südlich von Prag) heute wieder in Familienbesitz.
Wo Geschichte Wurzeln schlägt
Das Forstamt Gstatt in Öblarn blickt auf eine fast 900-jährige Geschichte zurück. Seit 1929 führt die Familie Colloredo-Mannsfeld den Betrieb, der heute rund 8.200 Hektar in den Revieren Walchen-Prellegg und Schwarzensee umfasst. Das ist fast ein Drittel des Naturparks Sölktäler.
Die Liste der Naturgewalten, die den Forstbetrieb in den letzten Jahrzehnten heimgesucht haben, ist lang: Orkan Kyrill 2007, Emma und Paula 2008, dazu Borkenkäferbefall im Windwurf und das Hochwasser mit Muren im Sölktal 2010. Ganze Waldstrukturen wurden zerstört. „Seit dieser Phase kann man nicht mehr Forstwirtschaft nach Lehrbuch betreiben“, sagt Colloredo-Mannsfeld. Doch trotz aller Rückschläge hält er am Grundsatz fest: den Wald so ökologisch wie möglich und so ökonomisch wie nötig zu bewirtschaften.
Holz allein reicht nicht
Die PV-Anlage in Öblarn wurde 2025 errichtet.Ein Blick auf die Zahlen macht klar, warum zusätzliche wirtschaftliche Standbeine neben der Holzproduktion unverzichtbar sind. „Seit 50 Jahren erhält man für den Rohstoff Holz denselben Preis“, erzählt Colloredo-Mannsfeld. „Die Wirtschaftlichkeit schrumpft Jahr für Jahr.“ Vorausschauend investierte die Familie schon in den 1980er-Jahren in drei Kleinwasserkraftwerke. 2025 kam eine Photovoltaikanlage in Öblarn dazu. Die Gewinne aus den erneuerbaren Energien tragen heute wesentlich dazu bei, die Personalkosten zu decken. Zudem betreibt das Forstamt seit den 1990er-Jahren die Mautstraße zur Breitlahnalm im Kleinsölker Obertal, seit 2024 vollautomatisch. Angebote für Windkraftanlagen hingegen wurden aus Sorge um das Landschaftsbild prinzipiell abgelehnt.
Jagd als gelebter Naturschutz
„Unser Tun hat Auswirkungen – das kann einem niemand besser vor Augen halten als der Wald selbst.“Für Berufsjäger Markus Lengdorfer ist der tägliche Gang durch den Wald mehr als Arbeit. „Ohne Wild kein Wald – ohne Wald kein Wild“, sagt er. Gesunde Bestände auf beiden Seiten bedingen einander. Auch Colloredo-Mannsfeld sieht die Jagd als unverzichtbares Werkzeug: „Generationsübergreifendes Denken steht bei der Waldwirtschaft an vorderster Stelle. Die Jagd üben wir nach den Regeln der Weidgerechtigkeit, den aktuellen jagdwissenschaftlichen Erkenntnissen und mit größter Sorgfalt aus. Das ist gelebter Naturschutz.“ Für den Wolf sieht der Großgrundbesitzer im Ennstal keinen geeigneten Lebensraum. In der stark genutzten Kulturlandschaft mit Almen und Landwirtschaft seien dessen Ansprüche kaum erfüllbar, weshalb seine Existenzberechtigung hier fraglich sei.
Klimawandel als Herausforderung
Das Ennstal gilt als Fichtenoptimum. Doch gerade die Fichte leidet unter dem Klimawandel: Sie wurzelt flach, ist anfällig für Windwurf, Trockenheit und Borkenkäfer. Daher setzt das Forstamt zunehmend auf Mischwälder. Unterstützung kommt durch die „Dynamische Waldtypisierung“ des Landes Steiermark. Sie liefert Prognosen für die nächsten 80 Jahre und zeigt Wege auf, wie Wälder widerstandsfähiger, resilienter und anpassungsfähiger gemacht werden können. Auch die KI hält mittlerweile Einzug. Mithilfe von Satellitenbildern können Waldschäden großflächig erkannt werden. Das System registriert Farb- und Feuchtigkeitsveränderungen und zeigt an, wo Bäume vom Käfer befallen sind. Neben den Wäldern sind auch die Almen ein landschaftsprägendes Kulturgut, das erhalten werden muss. Doch die Almwirtschaft ist arbeitsintensiv und wirtschaftlich kaum konkurrenzfähig. Immer mehr Flächen werden aufgegeben und die Wälder breiten sich aus. Um diesen Prozess abzufedern, arbeitet das Forstamt Gstatt eng mit den regionalen Bauern zusammen.
Besucher und ihre Verantwortung
Zahlreiche Naturgewalten haben den Forstbetrieb in den letzten Jahrzehnten heimgesucht, trotzdem wird am Grundsatz festgehalten, den Wald so ökologisch wie möglich und so ökonomisch wie nötig zu bewirtschaften.Wälder sind Lebensraum, aber auch Erholungsraum. „Neun von zehn Besuchern verhalten sich rücksichtsvoll, aber einer fällt leider immer aus der Reihe“, sagt Colloredo-Mannsfeld. Hunde müssen an die Leine, Drohnen sind tabu, Wildschutzzonen und Ruhezonen gilt es einzuhalten. Besonders seit Corona hätten sich manche Freizeitaktivitäten zugespitzt – Paragleiter oder Mountainbiker stören mitunter das empfindliche Gleichgewicht im Wald. Für Colloredo-Mannsfeld ist der Wald auch ein Ort der Besinnung. „Das Rausgehen in die Natur hilft mir runterzukommen und die Sinne zu schärfen“, sagt er. Was ihm die Natur lehrt? „Unser Tun hat Auswirkungen – das kann einem niemand besser vor Augen halten als der Wald selbst.“ ◻
Fotos: Paul-Josef Colloredo-Mannsfeld, Colloredo-Mannsfeld-Alpensonne GmbH, Ing. Mario Pernkopf