Erfrischend anders
- Autor/in: Christian König
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Geschätzte Lesezeit: 4 - 8 Minuten
Eisschwimmen, der Wintertrend aus dem Norden, gewinnt auch in Österreich immer mehr Anhänger und verleiht in der kalten Jahreszeit den Gewässern unserer Region eine bis dato ungeahnte neue Anziehungskraft. Einer, der die Grenzen des menschlichen Durchhaltevermögens und der Kälteanpassung neu definiert hat, ist Weltrekordhalter Josef Köberl aus Gössl am Grundlsee. Wir gingen mit ihm ins kalte Nass.
Damit wir auch wissen, worüber wir schreiben, ging das LBN-Magazin im November mit Josef Köberl und einer Gruppe Interessierter, die seiner Einladung zum Eisschwimmen gefolgt waren, in den damals 8-Grad-kalten Altausseer See. Mitte November am Ufer des Altausseer Sees. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages fallen auf eine Gruppe von Menschen, die der Einladung Josef Köberls zur Einführung ins Eisschwimmen gefolgt sind. In Workshops gibt der 47-jährige Eisschwimm-Experte geduldig seine Erfahrungen weiter. 2020 hat er seinen eigenen Weltrekord „Longest Duration Full Body Contact With Ice“ um 28 Minuten überboten. Insgesamt blieb er dabei 2 Stunden, 30 Minuten und 53 Sekunden mit Eis umhüllt. 2021 legte Köberl bei einer Wassertemperatur von minus 0,23 Grad 1.511,5 Meter in einer Gletscherspalte am Hintertuxer Gletscher zurück und setzte damit den Rekord in Süßwasser. 2015 gelang ihm in 14 Stunden und 21 Sekunden die Durchquerung des Ärmelkanals bei Nacht im 16 Grad frischen Meer. Am 18. Jänner 2025, bei der Galanacht der heurigen Weltmeisterschaft im Eisschwimmen in Molevo, Italien, erhielt Josef Köberl jedoch „seine bisher größte Auszeichnung“, wie er betont. Für besondere Verdienste um das Eisschwimmen wurde er als erster Österreicher in der „Ice Swimming Hall of Fame“ aufgenommen.
Aber zurück zu unserer Gruppe am Altausseer See, die aus Menschen unterschiedlichen Alters und Hintergrunds besteht. Sie alle sind von der Neugierde und der Lust angetrieben, ihre körperlichen und mentalen Grenzen seit langem wieder einmal neu auszuloten. „Kälte ist nicht unser Feind!“, beginnt der Eisprofi zu erklären: „Kälte kann positiv auf unser Immunsystem wirken.“ Belegt ist, dass Kälte die Produktion von weißen Blutkörperchen erhöht, die für die Abwehr von Krankheiten verantwortlich sind. Je mehr Köberl erzählt, desto merklicher verliert die Gruppe die anfängliche Nervosität und Unsicherheit. Die Menschen spüren wie sehr dieser Mensch „in seiner Mitte ruht“, das fasziniert und lässt den Gedanken zu, Ähnliches erreichen zu können.
Eisige Premiere
Unsere Region bietet sowohl im Winter als auch im Sommer zahlreiche Möglichkeiten zum Eisschwimmen und -baden. Ab 2 Kälteeinheiten in der Woche sollen die Kälteeinheiten durchwegs gesundheitsfördernd sein.Unsere Region bietet sowohl im Winter als auch im Sommer zahlreiche Möglichkeiten zum Eisschwimmen und -baden. Ab 2 Kälteeinheiten in der Woche sollen die Kälteeinheiten durchwegs gesundheitsfördernd sein.Dann ist es soweit. Alle Teilnehmer erhalten eine Schwimmboje und machen die ersten Schritte in den 8 Grad kalten See. Zuerst nur bis zu den Waden oder bis über die Knie, ein schnelles Hineinstürzen soll tunlichst vermieden werden. Die nackten Oberkörper befinden sich in der kalten Spätherbstluft, die Füße beginnen im Wasser zu schmerzen. Ein paar der Teilnehmer zittern. Doch dann wird das erste Versprechen des Ausnahmeathleten eingelöst: „Der plötzliche Kälteschock veranlasst den Körper, die Durchblutung zu erhöhen, um die inneren Organe warm zu halten. Sowohl das Zittern als auch die Schmerzen verschwinden.“ Auf den Gesichtern nun sichtbares Erstaunen und Freude, den ersten Schritt geschafft zu haben. Dann geht es weiter bis zum Bauch – abermals verschwindet der Schmerz. Als alle Teilnehmer das Wasser bis über dem Herzen haben und sich die zuvor von Josef Köberl beschriebene Wärme im Körper ausbreitet, ist der sogenannte „Eisbade-Effekt“ unübersehbar. Alle sind nun völlig auf ihr Innerstes fokussiert und nach und nach werden seelenruhig die ersten Tempos von Menschen geschwommen, die gerade noch dachten, ihnen würde bei so einer Kälte mit Sicherheit das Herz stehen bleiben.
Heilkraft Kälte
„Wenn der Körper versucht, die Kerntemperatur aufrechtzuerhalten, indem er die Durchblutung hochfährt, ist das ein Gefühl, als lege sich ein Schutzmantel aus Wärme über den Körper“, beschreibt Köberl diese außergewöhnliche Schutzfunktion unseres Körpers. Das Eintauchen in kaltes Wasser führt zur Freisetzung von Adrenalin und Endorphinen, den sogenannten Glückshormonen. Dies kann zu einer Verbesserung der Stimmung und einer Verringerung von Stress und Angst führen. Ärzte und Therapeuten haben Josef Köberl bereits gefragt, ob er suizidal depressive 13- bis 14-Jährige ins kalte Wasser führen könne. Köberl nahm die Eltern der Jugendlichen gleich mit und auch hier war mit Kältetherapie ein deutlicher Erfolg zu verzeichnen. Besonders wirkungsvoll zeigen sich die positiven Auswirkungen von Kälte aber bei Frauen im Wechsel oder mit Menstruationsproblemen. Bei einer Studie mit über 1.000 Probandinnen wurde festgestellt, das Kaltwassereinheiten Menstruationsschmerzen und Hormonschwankungen sowie Nachtschwitzen und Stimmungsschwankungen verringern. Kältetherapie aktiviert zudem das sogenannte „braune Fett“, das dabei hilft, die Körpertemperatur aufrechtzuerhalten und kalorienreiche Nährstoffe in Wärme umwandelt. Wer sein braunes Fett durch regelmäßige Kälteexposition trainiert, ist schlanker und hat weniger Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Durch die Straffung der Hautzellen unterstützt das Eisschwimmen sogar bei Neurodermitis. Und Josef Köberl, der 22 Jahre beim Heer im Fliegerhorst in Aigen tätig war, berichtet, dass ihn das Eisschwimmen entspannter, aber vor allem fokussierter gemacht hat. Neben dem Schärfen seiner mentalen Stärke wurde ihm bei einem epigenetischen Test diagnostiziert, dass er körperlich um 4 Jahre jünger sei als im Vergleich zum Durchschnitt der Gleichaltrigen.
Frische Impulse für den Wintertourismus
Die Entwicklung, dass immer mehr Menschen der Faszination des Eisschwimmens erliegen, betrachtet Josef Köberl mit Weitblick. PR macht er für die eisige Disziplin genügend. Sein Weltrekord im Eis erreichte mit der weltweiten Berichterstattung über den Steirer insgesamt 2 Milliarden (!) Menschen. Social Media und Influencer-Marketing können ebenso genutzt werden, um die Aufmerksamkeit auf diese einzigartige Erfahrung zu lenken. Josef erzählt, dass er jährlich von einer Gruppe Israelis im Winter zum Eisschwimm-Workshop gebucht wird, seit in Israel eine Sendung über das Eisschwimmen ausgestrahlt wurde. „Die kommen nicht zum Skifahren, die wollen im Winter in den See!“, lacht er und gibt damit zu verstehen, dass er den internationalen Trend zum Eisschwimmen auch als Chance für den Tourismus sieht. Unsere reichhaltigen Wasserschätze sind im Winter für Touristen attraktiv geworden, geschickte Touristiker können neue Zielgruppen locken. Köberl ist bereits einige Kooperationen mit Hotels eingegangen, die auf den Eisschwimm-Trend aufgesprungen sind und mit eigenen All-inklusive-Eisschwimm-Pauschalen sowohl bei einheimischen als auch bei ausländischen Gästen punkten. Ebenso sieht er die Möglichkeit für Badeteiche, im Winter mit einem Eisschwimm-Tag ein Geschäft zu machen.
Vom Schnee ins Eis
In den letzten Jahren hat sich der Klimawandel zunehmend auf den Skitourismus ausgewirkt. Mit steigenden Temperaturen und weniger verlässlichen Schneeverhältnissen suchen viele Tourismusregionen nach alternativen Attraktionen. „Für Regionen, die traditionell vom Skitourismus abhängig sind, bietet Eisbaden eine spannende Möglichkeit, das touristische Angebot zu diversifizieren. Es kann sowohl als eigenständige Aktivität als auch in Kombination mit anderen Wellness-Angeboten wie Saunagängen oder Yoga-Retreats angeboten werden. Dies schafft nicht nur neue Einnahmequellen, sondern zieht auch eine neue Zielgruppe an, die auf der Suche nach einzigartigen und gesundheitsfördernden Erlebnissen ist“, ist Kältebotschafter Köberl überzeugt und verweist auf die vielen Möglichkeiten, den Kälte-Kick im Ausseerland und Ennstal zu erleben. Prinzipiell bieten sich alle Badeplätze auch im Winter an, besonders wenn sich in unmittelbarer Nähe eine Gaststätte zum Aufwärmen befindet. Die Waldhäuslalm in Rohrmoos oder die Teiche zwischen Stainach und Liezen sind ebenfalls Plätze, die Köberl ins Auge fassen würde. Im Sommer bieten sich wiederum die Flüsse und Bäche unserer Region an. Zu Josefs Lieblingsplätzen im Sommer zählt der Stimitzbach, der in Gößl entspringt, aber auch an ruhigen Stellen der Enns oder Salza hat das Wasser im Sommer die richtige Temperatur für eine erfrischende Kälteeinheit.
Fotos: Barbara Anderl, banddesign.studio
Eisschwimm-Regeln
- Den Körper langsam an Kälteeinheiten gewöhnen. Das erste Mal an einem Herbst- oder Frühlingstag ins kalte Wasser gehen und nicht gleich im Winter. Am besten in einer Gruppe unter Anleitung eines erfahrenen Eisschwimmers.
- Langsames schrittweises Hineingehen. Den Körper an die Kälte gewöhnen lassen, bis das Wasser auf jeden Fall über dem Herzen steht und der wärmende „Eisbade-Effekt“ eintritt.
- Niemals ohne Begleitung zumEisschwimmen gehen.
- Eine Badeboje verwenden, damit man sich im Falle eines Krampfes anhalten kann.
- Wenn man sich krank fühlt, Fieber hat oder gesundheitlich angeschlagen ist, sollte man nicht ins kalte Wasser gehen.
- Wenn chronische Erkrankungen bekannt sind, insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzrhythmusstörungen oder Herzschwäche, muss dies unbedingt vor dem erstmaligen Eisschwimmen mit einem Arzt abgeklärt werden.
- Beim Hineingehen kann es zum Zittern des Körpers kommen, das nach einiger Zeit jedoch vergeht. Sollte man jedoch danach im Wasser wieder zu zittern beginnen, ist das ein eindeutiges Zeichen, das Wasser zu verlassen.
- Nach dem Eisbad kann es zu einem Nachzittern kommen, der Körper muss sich selbst wieder regulieren. Es wird empfohlen, mit einer heißen Dusche oder einem Bad mindestens 2 Stunden zu warten.
- Vor und nach jedem Eisbad ist es gut, sich durch Bewegung, warme Kleidung oder einen heißen Tee aufzuwärmen. Der besonders empfindliche Kopf sollte durch eine Mütze geschützt werden und nicht unter Wasser getaucht werden.
- Hände und Füße verlieren schnell an Körperwärme. Die Hände sollte man deshalb beim langsamen Hineingehen noch in die Luft halten und erst am Schluss ins Wasser tauchen. Es können auch Neopren-Handschuhe verwendet werden. Für die Füße empfehlen sich ebenfalls Badeschuhe.