Demenz begreifen – zwischen Loslassen und Zusammenrücken
- Autor/in: Liezener Bezirksnachrichten GmbH
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Was passiert, wenn ein geliebter Mensch beginnt, sich zu verlieren – in einer Welt, die ihm vertraut war und die nun langsam fremd wird? Und was geschieht mit jenen, die bleiben? Dieser Fragen nahm man sich kürzlich im „Öblarner Haus für alle“ an, auf vielfältigen Zugängen und mit überraschenden und berührenden Erkenntnissen.
Hauptdarstellerin Ingrid Moser überzeugte mit einer eindrucksvollen und tief berührenden Darstellung der an Demenz erkrankten Protagonistin „Anni“. (Foto: Richard Bogner)Immer öfter hört man von „Demenz“, wendet sich jedoch oft mit einem unguten Gefühl vom Thema ab, solange man keine persönlichen Berührungspunkte hat. Doch worum genau handelt es sich? Bei „Demenz“ sprechen wir von einer kognitiven Krankheit, die unter anderem Gedächtnis, Sprache und Motorik beeinträchtigt. Sie tritt in verschiedenen Formen auf, die häufigste davon ist Alzheimer. Im Jahr 1906 wurde die Krankheit erstmals wissenschaftlich beschrieben durch den deutschen Psychiater, Neuropathologen und schließlich Namensgeber Alois Alzheimer.
Betroffene haben mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Schon der Begriff Demenz ist negativ behaftet, er kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „ohne Verstand“. Menschen mit Demenz sind aber alles andere als „geistlos“, ganz im Gegenteil. Nach der Diagnose fühlen sich viele unbeschwerter und leben mehr im Moment.
Aktuellen Zahlen zufolge sind derzeit etwa 170.000 Menschen in Österreich betroffen, etwa zwei Drittel davon Frauen, die aufgrund genetischer Grundlagen wie etwa dem Hormonabfall in der Menopause die schlechteren Karten haben. Hinzu kommt noch die gerade bei dieser Krankheit nicht zu unterschätzende Dunkelziffer.
Herzensprojekt
Neurologin Dr. Elisabeth Gruber informierte über Ursachen, Symptome, Prävention und Behandlung von Demenz. (Foto: Richard Bogner)Claudia Gassner, ihres Zeichens Obfrau des Festspielvereins Öblarn sowie im Auftrag des Diakoniewerks Projektleiterin für Gesundheitskompetenz und -förderung im Bezirk Liezen, hat eine bemerkenswerte Veranstaltung ins Leben gerufen. Zwei Abende lang wurde Interessierten die Möglichkeit geboten, in das Thema Demenz einzutauchen und Raum für Verständnis, Mitgefühl und neue Perspektiven zu finden.
Neurologin Dr. Elisabeth Gruber gewährte in einem fundierten Interview Einblicke in ihren Arbeitsalltag. Sie erläuterte die Entstehung der Krankheit aufgrund von Eiweißablagerungen im Gehirn sowie durch viele kleine Durchblutungsstörungen.
Als Risikofaktoren, auf die vor allem Menschen (und besonders Frauen) in ihrer „Lebensmitte“ ein Auge haben sollten, nannte die Ärztin unter anderem Bluthochdruck, Diabetes, erhöhte Cholesterinwerte, zu viel Alkoholkonsum, Rauchen, Übergewicht, soziale Isolation und damit einhergehend oft unbehandelte Depressionen.
Aber wann weiß man nun, ob Opas Vergesslichkeit noch altersgemäß ist oder schon ein Zeichen für Demenz? „Wenn man zum Beispiel dieselbe Geschichte innerhalb kurzer Zeit mehrmals erzählt, wenn Termine vergessen werden, wenn jemand immer wieder dieselbe Frage stellt, oder ganz klassisch: die Brille im Kühlschrank landet – dann sollte man hinschauen“, erläutert die Neurologin. Der erste Schritt wäre dann ein Besuch beim Hausarzt und schließlich, wenn sich der Verdacht erhärtet, der Gang zum Neurologen zur weiteren Abklärung und Behandlung. Selbst bei einer gesicherten Diagnose gebe es heute mehr therapeutische Möglichkeiten denn je, so Gruber: „Das Leben geht weiter – und wir haben 2025 mehr Optionen als je zuvor, um Betroffene gut zu begleiten und gemeinsam neue Wege zu eröffnen.“
Auch Susanna Krainz, Psychiatriekoordinatorin des Gesundheitsfonds Steiermark, unterstrich den hohen Stellenwert der Veranstaltung: „Blickwinkel Gesundheit ist ein großartiges Format, um wichtige Gesundheitsthemen verständlich und lebensnah an die Bevölkerung heranzutragen.“
„Drinnen bleibt’s wie’s war“
In Form eines Theaterstücks gelang es dem engagierten Team rund um Claudia Gassner, dem Thema konkrete Formen zu verleihen, wobei diese sogar eine Mehrfachrolle übernahm. – Sie schrieb und inszenierte das Stück nicht nur, sondern spielte auch eine wichtige Rolle: sich selbst. „Ich komme ja beruflich aus der Pflege“, erläutert die sympathische gebürtige Öblarnerin, „für mich ist Demenz nichts Fremdes und auch nichts, was mir persönlich Angst machen würde.“ Als Mitwirkende hat sie einen kleinen Teil der Schauspieler des Öblarner Festspiels rekrutiert, deren Vertrautheit untereinander die familiäre Situation des Stücks perfekt widerspiegelte.
Worum geht’s?
Als Anni einen Schlaganfall erleidet und in weiterer Folge Symptome von Demenz aufweist, gerät die Familie in Panik. Ihre Kinder versuchen auf unterschiedliche Art und Weise, mit der Situation umzugehen, stoßen jedoch bald an ihre Grenzen. Einzig Enkelin Hanna sowie Nachbarin Claudia verstehen es, Anni in ihrer neuen Welt zu besuchen und ihr die Situation zu erleichtern. Mit festspielhaften Zitaten und realitätsnahen Szenen lädt das Stück zum Nachdenken, aufgrund einiger dramaturgischer Gustostückerln auch zum herzhaften Lachen und vor allem zum Verstehen ein.
„Vielleicht kann man eine Demenzerkrankung ja auch als Chance sehen“, zeigt sich Neurologin Dr. Gruber hoffnungsvoll. Angehörige müssen sich der Situation stellen, Lösungen finden und zusammenhelfen. Meist kommt die Familie einander durch eine solche Ausnahmesituation wieder näher und begegnet einander mit Solidarität und Verständnis.
Die Veranstaltungsreihe „Blickwinkel Gesundheit“ ist Teil der Modellregion für Gesundheitskompetenz, gefördert durch den Gesundheitsfonds Steiermark und umgesetzt vom Diakoniewerk.
Text: Mona Dorrer
Fotos: Richard Bogner