EU-Defizitverfahren – eine Chance für Österreichs Volkswirtschaft!
- Autor/in: Liezener Bezirksnachrichten GmbH
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Knapp vor Redaktionsschluss der 3. Ausgabe des LBN-Magazins hat die Statistik Austria bekannt gegeben, dass das staatliche Defizit des Jahres 2024 minus 4,7 Prozent betragen hat.
Dieser Wert beinhaltet die Defizite des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Sozialversicherungsträger. Je nach politischem Lager waren die ersten Reaktionen darauf Verwunderung, Bestätigung und Entsetzen. Der besorgniserregende finanzielle Blick in die Vergangenheit und das erwartbare Budgetdefizit für das laufende Budgetjahr werden ein EU-Defizitverfahren wohl unausweichlich machen. Alle handelnden Personen in unserem Land, noch immer eines der reichsten Länder der Welt, sollten jedoch nicht in eine Panikstimmung verfallen. Vielmehr, mit dem Rücken zur Wand, sollten wir die Chancen eines solchen Verfahrens nutzen. Spätestens jetzt ist der richtige und unaufschiebbare Zeitpunkt gekommen, die notwendigen und verfassungsrechtlich vorgesehenen staatlichen Aufgaben zu definieren, die versprochene Verwaltungsreform endlich umzusetzen und dadurch unnötige Doppelgleisigkeiten des Föderalismus zu beseitigen. Der Prozess der Budgetsanierung, mit Maß und Ziel angewendet, muss keine Wachstumschancen einschränken und auch keine fiskalpolitischen Handlungsspielräume einengen.
Die Vorteile eines Defizitverfahrens
Ein Defizitverfahren wird von der Europäischen Kommission eingeleitet, wenn ein Mitgliedstaat die Maastricht-Kriterien nicht erfüllt, insbesondere die Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beim Haushaltsdefizit überschreitet oder die Staatsverschuldung langfristig nicht abgebaut wird. Ein solches Verfahren wird im Jahr 2025 voraussichtlich 8-10 Länder (von 27 Mitgliedern) der europäischen Union begleiten.
Persönlich hoffe ich, dass in einem gesunden Wechselspiel aus politischer Verantwortung und finanzieller Notwendigkeiten nachfolgende positive volkswirtschaftliche Auswirkungen eines solchen Verfahrens umgesetzt werden können:
1. Fiskalische Disziplin und nachhaltige Finanzen: Österreich muss sich selbst dazu zwingen, seine Staatsausgaben effizienter zu steuern und gezielte Reformen (z. B. Föderalismusreform) umsetzen. Dies wird langfristig zur finanziellen Stabilität des Landes beitragen und die Gefahr zukünftiger Schuldenkrisen minimieren.
2. Senkung der Zinskosten: Eine konsequente Haushaltskonsolidierung auf allen Ebenen wird dazu beitragen, das Vertrauen der Märkte zu stärken. Eine verbesserte Bonität des Staates wird niedrigere Zinsen für Staatsanleihen bewirken, was die Finanzierungskosten senkt und mehr Spielraum für produktive Investitionen schafft.
3. Wirtschaftliches Vertrauen und Investitionsanreize: Eine nachhaltige Finanzpolitik stärkt das Vertrauen von Unternehmen und Konsumenten. Unternehmen sind bereit zu investieren, wenn sie stabile Rahmenbedingungen vorfinden. Dies wird sich positiv auf Innovation, Arbeitsplätze und internationale Wettbewerbsfähigkeit auswirken.
4. Effizienzsteigerung im öffentlichen Sektor: Strikte Haushaltsdisziplin wird alle Verwaltungseinheiten dazu zwingen, effizienter zu wirtschaften. Bürokratische Prozesse werden gestrafft, öffentliche Dienstleistungen verbessert und Ressourcen gezielter eingesetzt.
5. Erhöhung der Resilienz in Krisenzeiten: Österreich muss jetzt seine Schulden abbauen und hat danach im Falle zukünftiger Krisen mehr Handlungsspielraum für wirtschaftliche und soziale Hilfspakete (z. B. Konjunkturbelebung und Katastrophenhilfe).
Alle notwendigen Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung müssen mit volkswirtschaftlichem und gesellschaftspolitischem Weitblick gestaltet werden.
Fazit – ein EU-Defizitverfahren bietet Österreich die Chance für eine nachhaltige Wirtschafts- und Finanzpolitik. Mit politischem Weitblick und transparenter Kommunikation kann es gelingen, Wachstum nicht zu behindern und soziale Spannungen zu vermeiden. Das EU-Defizitverfahren, welches in Österreich bereits 2009 bis 2014 zur Anwendung kam, sehe ich als Bürger unseres Landes als positives Disziplinierungsinstrument. Die politisch versprochenen Maßnahmen werden periodisch von einer überparteilichen Institution auf Tauglichkeit und Einhaltung überprüft.
Autor:
Friedrich Kaltenbrunner, Steuerberater
studierte Wirtschaftswissenschaften und Volkswirtschaftslehre