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Die Steinsuppe

Dieses Mal möchte ich Ihnen an dieser Stelle ein osteuropäisches Märchen „servieren“.

Die Steinsuppe Foto: Aigars Reinholds – ADOBE STOCK

Es war einmal vor langer Zeit, irgendwo in Osteuropa, da herrschte eine große Hungersnot. Die Menschen horteten missgünstig alles Essbare, das sie finden konnten und versteckten es sogar vor ihren Freunden und Nachbarn. Eines Tages kam ein Hausierer mit seinem Wagen in ein Dorf, verkaufte dort einige seiner Waren und begann, Fragen zu stellen, wodurch er den Anschein erweckte, er wolle über Nacht bleiben.

„Es gibt in der ganzen Gegend keinen Bissen zu essen”, sagte man ihm. „Es wäre besser, Sie ziehen weiter.” „Ich habe alles, was ich brauche”, sagte der Hausierer. „Eigentlich habe ich mir gedacht, ich mache eine köstliche Steinsuppe und lade euch dazu ein.” Er hob einen eisernen Kessel von seinem Wagen, füllte ihn mit Wasser und machte darunter ein Feuer. Dann nahm er einen schlichten Stein aus seiner Samttasche und legte ihn in das Wasser.

Mittlerweile waren die meisten Dorfbewohner erschienen oder schauten aus ihren Fenstern, weil sie das Gerede über das Essen gehört hatten. Als der Hausierer an der „Suppe“ schnüffelte und in freudiger Erwartung über seine Lippen fuhr, begann der Hunger das Misstrauen der Dorfbewohner zu besiegen. „Ah”, sagte der Hausierer recht laut zu sich selbst, „ich liebe eine schmackhafte Steinsuppe, aber mit Kohl wäre sie sicherlich kaum zu übertreffen.”

Kurz darauf eilte ein Bewohner mit einem Kohl aus seinem Versteck herbei und legte ihn in den Kessel. „Großartig”, rief der Hausierer. „Wissen Sie, einmal hatte ich eine Steinsuppe mit Kohl und Pökelfleisch darin. Die war eines Königs würdig.” Der Metzger besorgte daraufhin Pökelfleisch und so ging es mit Kartoffeln, Zwiebeln u. a., bis sie tatsächlich ein köstliches Mal für alle hatten. Die Bewohner boten dem Hausierer eine Menge Geld für seinen „magischen“ Stein, doch er lehnte ab und zog am nächsten Tag weiter. Noch lange nachdem die Hungersnot vorbei war, dachten die Leute an die köstlichste Suppe, die sie jemals gegessen hatten.

Mit diesem Märchen aus Osteuropa möchte ich mich bei meinen treuen Lesern bedanken und uns auf ein besinnliches Weihnachtsfest einstimmen. Die Steine könnten noch vieles berichten, diese Kolumne ist aber hier zu Ende. Ich würde mich freuen, wenn ich Sie im Jahr 2022 bei einer meiner Führungen, Wanderungen oder einer meiner anderen Veranstaltungen persönlich begrüßen darf!

Steine lügen nicht, haben eine komplizierte Sprache und sind deshalb recht schwer zu befragen. Leichter wird’s mit einem Dolmetscher, der „Steinisch“ spricht.

Über viele Ausgaben hinweg hat Wolfgang Riedl für uns aus dem „Steinischen“ übersetzt, nun läuft diese Kolumne aus.
Wir bedanken uns herzlich für die vielen interessanten Beiträge.

Mag. Wolfgang Riedl

Dolmetscher für Geologie
8913 Weng im Gesäuse 92

https://www.steinundzeit.at
LBN-WOHIN
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